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einer Rechtsnorm nieht mit ihrer Geltung verwechselt werden.
Allerdings kann KELSEN auch für das Bereich der normativen
Betrachtung oder der Wertung im allgemeinen und der juristischen
Betrachtung oder des Rechtswertes im besonderen die Tendenz
feststellen, „mit der aus der gewählten Voraussetzung deduzierten
Ordnung als Bewertungsmaßstab möglichst viel Tatbestände als
normentsprechend, somit als (relativ) wertvoll“ zu erkennen;
und KELSEN läßt nicht nur keinen Zweifel daran, sondern nimmt
daran selbstverständlich auch keinen Anstoß, daß ein derartiges
wertökonomisches Prinzip, ein Prinzip der erkenntnismäßigen
Erzielung eines Wertmaximums, bei der Fixierung der recht-
lichen Ursprungshypothese, der Verfassung im rechtslogischen Sinn,
bestimmend ist, die mithin stark in der Richtung des Faktischen,
im Hinblick auf die Wirklichkeit, orientiert seın wird. Im Rahmen
der so gewonnenen Ursprungshypothese wäre aber eine weitere
Determinierung der — eigentlich erst nach diesem Punkte ein-
setzenden — juristischen Erkenntnis eine unzulässige Desorien-
tierung. Der in der Ursprungsnorm begründeten oder aus ihr
ableitbaren Rechtserscheinung ist unbekümmert um ihre Wirkung
— selbst mangelnde Wirkung — ausschließlich um ihrer Basie-
rung in der Ursprungshypothese willen rechtliche Geltung zu-
zusprechen. Das Versagen des Rechtes in der Wirklichkeit tut
seiner Souveränität und Positivität keinen Eintrag. Dies gilt
selbst für den Grenzfall einer siegreichen Revolution. Vom Stand-
punkt der staatlichen Souveränität bleibt die Revolution immer
im Unrecht — Recht erhält sie nur vom Standpunkt einer
höheren Ordnung, namentlich unter der Voraussetzung der Sou-
veränität des Völkerrechtes.
2. Im zweiten umfangreicheren Teile seines Werkes stellt unser
Autor das Problem der Souveränität des Völkerrechtes. Damit ist
die Frage nach dem Verhältnisse der Souveränität des Völker-
rechtes zu der des Staatsrechtes gegeben. KELSEN beantwortet
diese Frage auf Grund einer eingehenden Untersuchung über das
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