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rechtes nur als dem Staatsrechte untergeordnet oder
eingeordnet, mit einem anderen Worte als Teilordnung
der Staatsrechtsordnung zu erfassen, wenn es überhaupt
als Recht soll erkannt werden können. Und andererseits müssen
die Staatsrechtsordnungen, sollen sie vom Standpunkte
des Völkerrechtes mit ihrem Prätexte rechtlicher Geltung über-
haupt bestehen können, als Teilordnungen der sie alle um-
fassenden Völkerrechtsordnung konstruiert werden
können. Die gleichzeitige Erfassung von Staats- und Völker-
recht ineinem geschlossenen Rechtssysteme setzt also
gewissermaßen ihre Denaturierung von ihrem eigenen Standpunkte
aus voraus. Die Preisgabe des Anspruches auf selbständige —
formelle — Geltung ist für Völkerrechts- oder Staatsrechts-
ordnung der Preis für die Anerkennung materieller Geltung
vom Standpunkt der anderen Ordnung aus.
Das rechtskonstruktivre Mittel dieser Unterordnung des
einen Normensystems unter das andere, dieser Einordnung im
ursprünglichen wie im übertragenen Sinne des Wortes ist die
Verweisung oder Delegation. Es ist dies bekanntlich
ein Mittel, mit dem namentlich die Rechtsordnungen unausgesetzt
ım größten Maßstab operieren. KELSEN verweist insbesondere auf
das Beispiel der Beziehung von Gesetzes- und Verordnungsrecht
(S. 112). Dank der verfassungsmäßigen Delegation der Verord-
nungsinstanz erscheinen die Emanationen dieser Instanz, die in
Form der Verordnung ergehen, als letzten Endes aus derselben
Quelle fließend, als von derselben Art wie das Gesetzesrecht. Nur
nebenbei sei erwähnt, daß die Annahme eines selbständigen Ver-
ordnungsrechtes, — was nichts anderes als die Negierung des an-
gedeuteten Systemzusammenhanges bedeutet, — von der herr-
schenden Lehre bereits als systemwidrig abgelehnt wird. Derselbe
technische Kunstgriff liegt im Grunde auch der Erscheinung einer
Rechtsrezeption zugrunde; sie ist nichts als ein Spezial-
fall der Delegation, eine Delegation in größten Dimensionen, wo-