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hat, wendet er sich den beiden Möglichkeiten einer monisti-
schen, das Völkerrecht und Staatsrecht in gegenseitiger Ueber-
und Unterordnung verschmelzenden Rechtskonstruktion zu.
Zwei Hypothesen stehen hier zur Wahl, die gleicherweise zu einem
monistischen System, d. h. aber — der Ausdruck ist nämlich
pleonastisch, da jedes wirkliche System in einem gewissen Sinn
monistisch ist, — überhaupt zu einem System führen: Der Primat
des Staatsrechtes oder der des Völkerrechtes.
Der dieser Abhandlung zur Verfügung stehende Raum ver-
bietet es, der Auseinandersetzung im einzelnen zu folgen, die KEL-
SEN zunächst mit den einen Primat des Staates voraussetzen-
den Theorien sucht. Die radıkalste Konsequenz aus dieser Ge-
dankenrichtung, die sich nicht ganz mit Unrecht auf die — die
Autorität des Staates auf die Spitze treibenden — Autorität HE-
GELs berufen kann, ist bekanntlich die einfache Leugnung des
Völkerrechtes, die namentlich FRICKER und LASSON, neuerdings
SOMLO ausgesprochen haben. Eine solche negative Stellungnahme
ist konstruktiv selbstverständlich völlig unfruchtbar; damit ist das
Problem einer befriedigenden systematischen Konstruktion des er-
fahrungsmäßig gegebenen Rechtsnormenmateriales selbstverständ-
lich nicht gelöst, sondern, sei es auch unbewußt, unterschlagen.
Von der Grundposition des Staatsrechtes aus das Völkerrecht
formell als Staatsrecht nachzuweisen und ihm einen systematischen
Ort im Staatsrechtssysteme anzuweisen: Darum handelt es sich
für eine Theorie, die den Primat des Staatsrechts behauptet. Die
logische Bedingung einer solchen Konstruktion hat KELSEN treffend
folgendermaßen formuliert: „Nur wenn und insoweit die staatliche
Rechtsordnung im Wege einer Delegation Völkerrechtsnormen zu
ihren eigenen macht, können diese als für die Staatsperson ebenso
verbindlich erkannt werden wie andere Normen des staatlichen
Rechts“ (S. 139). Es ist also der Staatsrechtstheörie die Aufgabe
gestellt, eine derartige Delegation des Völkerrechtes zu finden,
und ihr nicht gestattet, von vornherein auf die staatsrecht-
liche Konstruktion des Völkerrechtes zu verzichten.