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Kirchendienst wird eher vermindert als vergrößert. Die Aufgabe des
Reichsverbandes erschöpft sich aber auf diesem Wege in einer großen
Anzahl mannigfaltiger Anregungen, die an die Gesetzgebung und die
Organe der Gesellschaftssatzungsgewalt zu richten sind. Unmittelbare
Erfolge bleiben dem Reichsverbande versagt. Es frägt sich, ob es
noch einen anderen Weg zum gleichen Ziele gibt. Einen solchen deuten
die Fragen 4 und 5 an, die wiederum gemeinsam behandelt werden
sollen.
Dieser andere Weg ist der Aufbau des Dienstverhältnisses auf der
allgemeinen Rechtsgrundlage des bürgerlichen Rechts und des Tarifs-
vertrages.
Die neue allgemeine Rechtsgrundlage für dieses Recht und seine
mannigfaltigen Auswirkungen bildet Art. 159 der Reichsverfassung
welcher bestimmt: „Die Vereinigungsfreiheit zur Wahrung und Förde-
rung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist für jedermann und
für alle Berufe gewährleistet. Alle Abreden und Maßnahmen, welche
diese Freiheit einzuschränken oder zu behindern suchen, sind rechts-
widrig.“
Art. 159 RV. Satz 2 wird in seinen Wirkungen durch $ 134 des
BGB. ergänzt. Das BGB. knüpft an solch rechtswidrige „Abreden
und Maßnahmen“ die Folge der Nichtigkeit.
Es ist hier nicht veranlaßt, die rechtliche Bedeutung dieser das
allgemeine Koalitionsrecht begründenden Norm nach allen Seiten hin
zu würdigen. Nur insoweit dieses Recht auch die weltlichen Kirchen-
diener berührt, ist es zu betrachten. Zunächst steht fest, daß, was für
„jedermann“ gilt, auch für Beamte gilt. Das Koalitionsrecht des
Art. 159 RV. steht auch den Öffentlichen Beamten zu und zwar sowohl
denjenigen des Reichs und der Länder, als auch denjenigen der Körper-
schaften des Öffentlichen Rechtes, den Gemeindebeamten, Beamten der
Körperschaften der Arbeiterversicherung und den Kirchenbeamten.
Darin ist den Ausführungen des Schreibens des bayer. Staatsministe-
riums für Unterricht und Kultus vom 26. Oktober 1920 zuzustimmen.
Eine andere Frage aber ist die nach dem Inhalt und Umfang
dieses Rechtes. Daß Art. 159 RV. keine Rechtsgrundlage für ein
Streikrecht jedermanns schaffen wollte, ist im Verfassungsausschuß
ausdrücklich gesagt worden.
7a untersuchen bleibt, ob mit der in Art. 159 festgesetzten und
als Grundrecht gewährleisteten „Vereinigungsfreiheit“ auch eine all-
gemeine Verleihung des Tarifvertragsrechtes verbunden sei. Dies nimmt