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das Ministerialschreiben vom 26. Oktober 1920 m. E. zu Unrecht
in solcher Allgemeinheit an. Das Recht des Tarifvertrages umfaßt
wohl alle Kreise von Arbeitgebern also auch Reich, Staaten, Gemeinden
und alle andern öffentlichrechtlichen Körperschaften. Es umfaßt auch
alle Angestellten dieser und andrer Verbände, aber es umfaßt Arbeit-
geber und Arbeitnehmer nur hinsichtlich ihrer privatrechtlichen Ab-
machungen. Das Tarifrecht ist der sozialrechtliche Ausbau der bürger-
lichrechtlichen Rechtsfähigkeit und hat grundsätzlich nichts zu tun mit
den Pflicht- und Rechtsverhältnissen, die sich aus öffentlichrechtlich
d. i. gesetz- oder satzungsmäßig geregelten Dienstverhältnissen ergeben.
Daß Reichswehrangehörige, Schöffen, Geschworene, Staatsbeamte im
Sinne der Beamtengesetze, Gemeindebeamte im Sinne der Gemeinde-
ordnung mit ihren Dienstherrn Reich, Ländern, Gemeinden usw. keine
Tarifverträge abschließen können, dürfte doch wohl als selbstverständlich
gelten. Es geht nicht an, daß diese Berufskreise ihren Dienstherrn
durch Kollektivverträge abdingen dürfen, was für sie nach gesetzlicher
Ordnung, sei es unmittelbar oder kraft persönlich abgeschlossenen
Dienstvertrages festgesetzt ist. Es bedeutete die vollkommenste Auf-
lösung jeder öffentlichrechtlichen Dienstordnung, wollte man auf solche
Weise das im öffentlichen Interesse durch öffentliche Rechtsnorm
geregelte Verhältnis hinterher wieder der höheren Wirksamkeit privat-
rechtlicher Abmachung unterwerfen. Die öffentliche Rechtsnorm würde
dadurch durchweg zu einer nur dispositiven und subsidiären Geltung
verurteilt, eine Wirkung, die Niemand beabsichtigt hat und die als un-
sinnig zu bezeichnen ist. Wie sinnlos solche Konstruktion wäre, er-
hellt aus dem einen Beispiel, wenn etwa die sämtlichen Minister des
Reichs und aller Länder einen Tarifvertrag mit ihren vereinigten
Arbeitgebern, Reich und Ländern, abschließen wollten. Die ungeheuer-
liche Entgleisung des Staatsministeriums erklärt sich zum Teil wohl
aus der sehr verbreiteten aber durchaus irrigen Auffassung, daß es
sich bei Tarifverträgen ausschließlich um Lohnabmachungen handle,
während doch der Tarifvertrag das ganze Arbeitsverhältnis zum Gegen-
stand haben, also auch die dienstlichen Obliegenheiten regeln kann.
Ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis aber entzieht sich eben durch
seine Rechtsnatur solcher Abmachung. Wo aber das Dienstverhältnis
im ganzen nicht verabredbar ist, da sind auch die aus dem Dienst-
verhältnis entspringenden Einkünfte dem Vertrag entzogen. Die früher
von manchen vertretene Auffassung, als sei das öffentliche Dienst-
verhältnis nur zum Teil, nämlich hinsichtlich der Pflichten öffentlich-