Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 41 (41)

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solche Zustände an der Erfüllung ihrer amtlichen Pflichten zeitweise ver- 
hinderten Lehrerin für diese Zeit stattfände. Verhinderung durch Krank- 
heit erfolgt ohne und gegen den Willen des Beamten. Die Lehrerin aber, 
die eine Ehe schließt, versetzt sich dadurch bewußt und gewollt in eine 
Lage, die nach dem sittlichen Zwecke der Ehe und nach dem gewöhnlichen 
Verlaufe der Natur voraussichtlich bei ihr zu Zuständen führen muß, die 
sie zeitweilig zur Erfüllung ihrer Amtspflichten unfähig machen. Dieser 
Gesichtspunkt ist von dem bayer. Finanzminister mit Recht hervorgehoben 
worden. Auf einem ganz anderen Gebiete, als dem der ausgleichenden 
Gerechtigkeit, liegt selbstverständlich die Frage, ob nicht aus sozialen 
und sozialpvlitischen Gründen (Verhinderung der Kinderlosigkeit und der 
eschränkung der Kinderzahl, Interesse an der Gesundheit von Mutter und 
Kind usw.) von solcher Gehaltsregelung zuungunsten der Lehrerin abzu- 
sehen ist. 
Das so aus dem Gesetze selbst gewonnene Ergebuis steht, wie neben- 
bei bemerkt werden mag, in Uebereinstimmung mit dem, was sich aus 
den Verhandlungen der Nationalversammlung (Sten. Ber. S. 1636 ff.) über 
die Absichten der Antragsteller entnehmen läßt. Die Beseitigung des Ehe- 
verbotes, und zwar gerade für Lehrerinnen, war danach der ausgesprochene 
Zweck, der mit der Aufstellung des jetzt im Art. 128 Abs. 2 enthaltenen 
Grundsatzes erreicht werden sollte, und der offenbar auch von der Mehr- 
heit der Nationalversammlung, die dem Antrag zugestimmt hat, gebilligt 
worden ist. 
Nicht vereinbar mit Art. 128 Abs. 2 der RV. sind demnach die grund- 
sätzlichen Bestimmungen der Art. 151 Abs, 1 Satz 1 und 153 Abs. 1 des 
bayer. Volksschullehrergesetzes. Mit dieser Feststellung werden, wie die 
Reichsregierung mit Recht annimmt, die anderen in den Art. 151 bis 155 
enthaltenen Vorschriften insoweit gegenstandslos, als sie auf der Bestim- 
mung aufgebaut sind, daß das Dienstverhältnis der Volksschullehrerin mit 
der Eheschließung erlischt. Der Art. 156, den die Reichsregierung eben- 
falls in ihren Antrag aufgenommen hat, kommt für einen Widerpruch 
bei der RV. nur insofern in Betracht, als unter den Vorschriften des 
V. Abschnitts, die für die Volksschulfachlehrerinnen und die israelitischen 
Volksschullehrerinnen entsprechend gelten sollen, auch die beanstandeten 
Art. 151 Abs. 1 Satz 1 und 153 Abs. 1 sich befinden. Indem diese als mit 
Art. 128 Abs. 2 der RV. nicht vereinbar erklärt und so ihrer Wirksam- 
keit entkleidet werden, entfällt ohne weiteres der nur mittelbar im Art. 
156 des bayer. Gesetzes liegende Widerspruch. Es besteht daher kein 
Anlaß, die Feststellung der Unvereinbarkeit auf den im übrigen unbedenk- 
lichen Art. 156 zu erstrecken.“ 
Die Entscheidung des Reichsgerichts wird der bisher in der Praxis 
zum Ausdruck gekommenen Auslegung des Art. 128 Abs. 2 der
	        
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