Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 41 (41)

— 227 — 
Die Entscheidung des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. 15 S. 200 
scheint übrigens von der Voraussetzung ausgegangen zu sein, daß als 
maßgebender Zeitpunkt bei Inkraftreten eines Gesetzes der Ablauf des 
Verkündungstages anzusehen sei. Doch ist diese Frage dort nicht 
näher untersucht worden. 
Die Entwicklung der Gesetzgebungspraxis ist über die Einwände 
von LapAnp und Heınıtz hinweggegangen. Vor dem Weltkrieg ist 
ein Gesetz nur in ganz besonderen Ausnahmefällen mit dem Tage seiner 
Verkündung in Kraft gesetzt worden. Die militärischen und wirt- 
schaftlichen Zwangsverhältnisse des Krieges haben es mit sich gebracht, 
fast alle Gesetzgebungsakte während des Krieges sofort mit ihrer Ver- 
kündung in Kraft treten zu lassen. Die Bedürfnisse der Praxis und 
der Zwang der Verhältnisse haben eine Untersuchung darüber gar nicht 
zugelassen, ob ein Rechtsakt an dem Verkündungstage etwa vor der 
tatsächlichen Ausgabe des Gesetzblatts oder erst nachher vorgenommen 
worden ist. So hat sich kraft Rechtsentwicklung ganz allgemein der 
Grundsatz ausgebildet, daß alle an einem Tage vorgenommenen Rechts- 
akte von einem an diesem Tage in Kraft gesetzten Gesetze ohne weiteres 
erfaßt werden. Es mag zugegeben werden, daß sich hieraus unter 
Umständen Unzuträglichkeiten und Unbilligkeiten ergeben hönnen. 
Allein diese müssen gegenüber den Forderungen und den Interessen 
der Allgemeinheit, dievielfach ein sofortiges Inkrafttreten von Gesetzen 
erheischen, zurücktreten. 
Nach Art. 71 der RV. treten Reichsgesetze, soweit sie nichts 
anderes bestimmen, mit dem 14. Tage nach Ablauf des Tages in Kraft, 
an dem das Reichs-Gesetzblatt in der Reichshauptstadt ausgegeben 
worden ist. Der Ausdruck „mit dem 14. Tage“ bezeichnet den Beginn 
des 14. Tages (Gıese, Die Verfassung des Deutschen Reichs 1919, 
Anm. 3 zu Art. 71) und nicht den Ablauf des 14. Tages. Was aber 
für den 14. Tag nach Ablauf des Ausgabetages gilt, muß gleichmäßig 
gelten für den Tag der Verkündung, wenn dieser kraft Gesetzes als 
der Zeitpunkt erklärt ist, von dem ab das Gesetz gelten soll. Bei 
der Gleichheit der Ausdrucksweise kann nicht in dem einen Fall der 
Beginn, in dem anderen Fall das Ende des Tages als maßgebender 
Zeitpunkt angesehen werden. Es wird daher auch in der Gesetzgebungs- 
praxis wohl unterschieden, ob ein Gesetz, das sofort in Kraft treten 
soll, mit dem Tage der Verkündung, also mit dem Beginn des Ver- 
kündungstages, oder erst mit dem Ablauf des Verkündungstages in 
Kraft treten soll. Ist letzteres beabsichtigt, so wird herkömmlich die 
15 *
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.