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kann der Minister die Gegenzeiehnung nicht verweigern, da der
Reichspräsident in Ausübung einer verfassungsmäßigen Befugnis
handelt, das Volk entscheidet dann bei den Wahlen darüber, ob die
Auflösung zu Recht geschehen ist. Entweder der neue Reichstag
wird das alte Ministerium unterstützen, dann muß der Reichspräsident
seine Politik ändern oder riskieren, daß der Reichstag eine Volks-
abstimmung über seine Absetzung beantragt, oder der neue Reichs-
tag kann das Ministerium stürzen und damit dem Reichspräsiden-
ten, der auf der Auflösung bestand, rechtgeben. Bei dieser
Lage der Dinge kann ein Ministerium die Gegenzeichnung der
Auflösung nicht verweigern, weil die Auflösung seinen politischen
Anschauungen nicht entspricht; ein gewisser Druck auf den Reichs-
präsidenten wäre höchstens durch die Demission möglich. In der
Praxis wird der Reichspräsident kaum die Auflösung gegen Mini-
sterium und Reichstag benützen, sondern der modernen englischen
Praxis entsprechend, lediglich als Appell an das Volk als Schieds-
richter zwischen Reichsregierung und Reichstag.
Der Regierungsentwurf.
Der PREUSSsche Verfassungsentwurf lag dem Entwurf zu-
grunde, der mit Zustimmung des Staatenausschusses am 21. Febr.
1919 der Nationalversammlung zur Beratung von der Regierung
vorgelegt wurde. Die Grundprinzipien der Vorschriften über
Reichsregierung und Reichspräsident waren dieselben geblieben
wie im PREUSsschen Entwurfe: verschiedene Einzelheiten hatte
man allerdings abgeändert. Der Reichsminister des Innern
Dr. PREUSS gab in der Sitzung vom 24. Februar 1919 der Natio-
nalversammlung eine mündliche Begründung des Regierungs-
entwurfes. Wie in der Denkschrift zu seinem Entwurfe® lehnte
er das System der Schweiz sowohl wie das der Vereinigten Staaten
von Amerika für Deutschland ab und trat für den direkt vom
Volk gewählten Reichspräsidenten ein. Er führte aus, daß man
° Reichsanzeiger vom 20. Januar 1919.