Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 41 (41)

— 242 — 
zu bescheiden, wenn STIER-SOMLO, der im übrigen eine größere Arbeit in 
Aussicht stellt, im Vorwort seine vorliegende Darstellung nur als einen 
Ueberblick gewertet wissen will. Das widerlegt nicht nur seine rechts- 
geschichtliche Einleitung, das zeigt auch der zweite Teil „Das Recht der 
Verfassungsurkunde“. Hier wird zunächst festgestellt, daß das Verfassungs- 
recht nicht abschließend in der Reichsverfassung enthalten ist, sondern nur 
das Grundsätzliche. Das ist von besonderer Wichtigkeit im Hinblick auf 
die zahlreichen Vorbehalte in der Urkunde selbst, ‘deren Erledigung erst eine 
verhältnismäßig erschöpfende endgültige Verfassungsgestalt wiedergeben 
wird. 
Prägnant wird das Reich definiert als ein auf Volkssouveränität be- 
ruhender republikanischer Bundesstaat auf der Grundlage der Demokratie 
und der parlamentarischen Regierungsweise. In der Begriffsbestimmung ist 
vor allem die Anerkennung der Bundesstaatsnatur von großer Bedeutung. 
Sie deckt sich mit der Auffassung JELLINERs’, steht aber im Kontrast zu 
der Meinung GIESEs, der (S. 63) namentlich aus Art. 17, 18, 76, 5 ableiten 
will, daß das Reich ein dezentralisierter Einheitsstaat geworden sei. Seine 
Argumentation erscheint mir nicht überzeugend. Mag auch der Kreis, inner- 
halb dessen die Gliedstaaten Hoheitsrechte auszuüben berechtigt sind, sich 
gegenüber der Reichsverfassung von 1871 wesentlich verringert haben, so 
sind sie doch noch so lange Staaten, als die drei Elemente des Staatsbe- 
griffs, wie wir oben bei der Betrachtung des NawıAsKkyschen Buches be- 
tont haben, vorhanden sind. Daran vermag auch die ohne tiefere juristische 
Absichten gewählte Bezeichnung als Länder® nichts zu ändern, wie denn 
sogar verschiedene südamerikanische Bundesstaaten ihre Glieder ausdrück- 
lich als Provinzen bezeichnen, ohne sie deshalb aber rechtlich zu solchen 
degradieren zu wollen (vgl. auch STIER-SOMLO 79, JELLINEK 69 ff., bes. 80). 
Sehr wichtig und wertvoll ist derjenige Abschnitt in STIER-SOMLOs Buch, 
der sich mit dem geltenden Verfassungsrecht über das Verhältnis des Reichs 
zu den Ländern beschäftigt. Hier wird zunächst das unitarische Element 
in den drei Staatsfunktionen und der Reichsaufsicht, sodann das föderative 
ausgemittelt und dargestellt (S. 90-103). Daran schließen sich Ausfüh- 
rungen über Gebiet und Staatsangehörige, wobei — ein neuer Beweis, daß 
das Buch in der Tat mehr ist als ein „Ueberblick“! — auch die Frage er- 
örtert wird, ob in Zukunft irgendwelche Staatenverbindungen im Reiche 
” Sie ist übrigens herrschende Meinung. Vgl. noch MEISSNER a. a. O. 26, 
ZWEIGERT, Verfassung des Deutschen Reiches, 1919, S. 12; ARNDT, Reichs- 
verfassung, 1919, S. 232, BORNHAK, Verfassung des Deutschen Reiches, 
1919, S. 2 (zweifelnd), PoETzZscH, Handausgabe der Reichsverfassung, 1919, 
S. 28 (zweifelnd). 
® Uebrigens ist der Name „Staat“ im Gegensatz zu „Reich“ an zahl- 
reichen Stellen der Reichsverfassung gewählt: so richtig STIER-SOMLO 81.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.