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erschöpfende, häufig selbst kritische, bisher bestehende Auffassungen meist
mit guten Gründen bekämpfende Angaben biographischer Art macht, ver-
dient besondere Hervorhebung.
War dem Altertum als solchem mit seinen Weltstaaten zwar nicht die
internationale Schiedsgerichtsbarkeit, wohl aber naturnotwendig die Inter-
nationalität fremd, da eben die ihnen vereinigten Staaten nur als Staats-
teile erschienen, so ist doch der philosophischen Literatur jener Zeit der
Begriff ebenso geläufig, wie sie sich mit der Frage der Notwendigkeit der
Erlaubtheit der Kriege beschäftigt. Das zeigt vor allem das Studium der
Stoiker, wie Zenos, Ciceros und des von LAnGE besonders sorgfältig analy-
sierten Seneca,
Dem Christentum in seinen Anfängen war, entsprechend den Vor-
schriften der Bibel, der Krieg durchaus zuwider: Die Anschauung, alle
Menschen sind Brüder, also Einheit des Menschengeschlechts, wird durch
die bewußte und gewollte Zurückweisung jeder Gewalt, selbst in der Form
des Widerstandes gegen das Uebel, verworfen. LANGE zeigt die Schwierig-
keiten auf, die sich der Durchführung dieses Satzes in der Praxis entgegen-
stellen, Schwierigkeiten, die man aber wieder unter Berufung auf Bibel-
stellen zu lösen gewußt hat, ohne freilich den Gegensatz bis in die Gegen-
wart wirklich theoretisch gelöst zu haben. Schon damals taucht der Satz,
daß nur bella justa zulässig seien, ein Satz, der im Mittelalter die Gemüter
bewegt hat, in der neuesten Zeit wieder (so von STRISOWER) diskutiert und
im Versailler Frieden furchtbare Verankerung gefunden hat, in voller Schärfe
auf, besonders eingehend behandelt vom heiligen Augustin. Ueber den
Antimilitarismus der Sekten, namentlich der — bei LANGE besonders ein-
gehend zu Werte kommenden — Waldenser, Wyclif und die Lollards wer.
den wir zu Kaisertum und Papsttum geführt. Ihnen beiden war gemein-
sam die Universaltendenz, worin, wie bei den Weltstaaten der Antike, im-
plieite ihre Abgewandtheit gegenüber allem Internationalismus enthalten
war. Auch hier ist die Theorie weiter gegangen — DAnTE, dessen Anti-
pazifismus im übrigen wohlbekannt ist, hat bereits die Idee eines Welt-
staatenbundes gehabt. Die praktische Aenderung brachte der Sturz des
Kaisertums mit dem Untergang der Hohenstaufen, die Niederlage des Papstes
in Avignon durch Philipp den Schönen: Die Bildung unabhängiger Na-
tionalstaaten hat der Idee des Internationalismus den Weg geebnet. In
wundervollen, eingehenden Darlegungen immer an der Hand der Quellen
selbst und diese selber sprechen lassend, zeigt ihn der Verfasser: PIERRE
Dusois, der vielzitierte, GEORG PODIEBRAD von Böhmen, dessen bekanntes
Projekt LANGE auf einen französischen Großkaufmann Antonius Marini zu-
rücktührt, ziehen an uns vorüber, die Internationalismus und Pazifismus
feindliche italienische Renaissance, die die Gewalt bewundert, ohne nach
ihren Gründen zu fragen, wie andererseits der Humanismus „internationaliste
pour ainsi dire par definition“ wird besonders im Anschluß an ERASMUS