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kratischen Staatsgedankens zusammenhänge, obwohl Parlamentaris-
mus und Demokratie keineswegs dasselbe seien (s. hierüber unten
S. 290 ff.). Deshalb sei die Entwickelung des Parlamentarismus noch
nicht abgeschlossen. Wie aber das Vordringen des demokratischen
Gedankens zunächst zu einer Ausbildung des Parlamentarismus
führe, so müsse es im weiteren Verlaufe seine Schwächung, wenn
nicht seinen Untergang mit sich bringen. Die ersten Zeichen
dafür, daß der parlamentarische Gedanke im Begriff sei, seinen
Höhepunkt zu überschreiten, seien bereits vorhanden. Näheres
hierüber soll später gesagt werden. Jetzt handelt es sich noch
um den Begriff der parlamentarischen Regierung, der in der
Wissenschaft verschieden aufgefaßt wird.
WILHELM HASBACH, der in seinem 1919 erschienenen Buche
„Die parlamentarische Kabinettsregierung“* unsern Gegenstand
am eingehendsten behandelt hat, sagt S. 19:
„Parlamentarische Regierung ist die unrichtige, aber allgemein ge-
brauchte Bezeichnung für eine Regierungsform, welche grundsätzlich und
regelmäßig alle Ministerstellen mit Abgeordneten, meistens mit parla-
mentarischen Führern besetzt. Sie charakterisiert sich folglich durch die
enge persönliche Beziebnung der Leiter der gesetzgebenden und ver-
waltenden Körper zum Unterschiede von den auf der Gewaltentrennung
beruhenden Systemen, die grundsätzlich und regelmäßig Parlamente und
Ministerien aus verschiedenen Personen bestehen lassen.*
Die Folge des parlamentarischen Systems ist, daß das nominelle
Staatsoberhaupt — der Monarch, bzw. der Staatspräsident — zu Mi-
nistern entweder nur hervorragende Parlamentarier oder wenigstens
nur solche Personen ernennen kann, die der Mehrheit des Parlamentes
genehm sind, bzw. ihm von dieser präsentiert werden, und wo kein
vom ganzen Volke, sondern nur ein vom Parlamente gewählter Präsi-
dent — Ministerpräsident — an der Spitze der Regierung steht,
auch dieser sich in vollständiger Abhängigkeit vom Parlamente
befindet. Das Kabinett — Ministerium — ist demnach nichts
anderes als ein Vollzugsausschuß des Parlamentes, richtiger der-