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Noch weit schärfer drückt sich der Republikaner PILOTY'sa.a.O.
8.92 aus. Er meint, daß das konstitutionelle Königtum es geradezu
verhindere, daß die jeweils besten Kräfte, die wahrhaft staats-
männischen Talente, an die höchsten Stellen gelangen.
„Sei der König berechtigt, völlig frei zu wählen, so sei er doch selbst
beim besten Willen und bei Zurückstellung aller persönlichen Neigungen
gar nicht im Stande, die erreichbar besten Kräfte zu finden, da das kon-
stitutionelle System solche gar nicht aufkommen lasse. Hier ski neben
ein starkes Beamtentum ein schwaches Parlament gesetzt. Naturgemäk
würden damit die besseren Kräfte mehr vom Beamtentum als vom Parla-
ment angezogen. Jenes verbrauche sie aber für den täglichen Dienst
das bildet sie nicht heran zur Staatsleitung.*
Das wird nun des Näheren ausgeführt und zu begründen gesucht.
Auch F. LUSENSKY, Der neue Staat (1920) S. 84 meint, daß
nur das parlamentarische System dem Politiker die Möglichkeit
eröffne, zu den höchsten Staatsstellen aufzusteigen, daß es für
die Leitung der Staatsgeschäfte geeignete Persönlichkeiten in weit
größerem Maße ans Tageslicht fördere und für die leitenden Stellen
besser vorbilde, als ein System, das bei der Besetzung dieser
Stellen ganz überwiegend auf die Kreise der Bureaukratie ange-
wiesen sei. Eibenso rühmt H. KELSEN, Wesen und Wert der
Demokratie 1920, der Demokratie nach, Jaß sie die beste Führeraus-
lese garantiere, einmal, weil sie den Kampf um die Führerschaft
auf die breiteste Grundlage stelle, die Führerschaft in den öffent-
lichen Wettbewerb setze, sodann aber weil nur wirkliche Führer-
qualitäten in diesem Kampf Aussicht auf den Sieg hätten ®.
Entsprechen diese Behauptungen aber der Wirklichkeit?
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s Freilich nicht ohne zuzugeben, daß dieser Vorzug der Demokratie
in einem Widerspruch zu ihren Ideen stehe; denn die Demokratie sei das
Ideal der Führerlosigkeit (!). Ueber diesen innern Widerspruch sucht sich
aber KELSEN mit dem Satze hinwegzuhelfen: „Allein man muß sich in
politischen Dingen gewöhnen, zwischen Realität und Ideologie zu unter-
scheiden.“ Wenn aber ein so scharfer Denker wie H. KELSEN zu solchen
Argumenten greifen muß, so kann es mit seiner Sache doch nicht so gut
bestellt sein.