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Zunächst lassen sie sich schwer in Einklang bringen mit der
oben angegebenen, freilich sehr fragwürdigen Ansicht MOREAUS,
daß das parlamentarische System zu einer Durchführung über-
haupt nicht überlegene Geister, also die besten Kräfte der Nation,
sondern nur mittelmäßige Menschen erfordere (s. auch unten
Anm. 24°). Danach bedürfte es ja gar nicht jener hervorragenden
Talente, die lediglich durch diese Regierungsform an den Tag
gebracht und emporgehoben werden sollev. Was v. BLUME und
PILOTY anführen, ist aber überhaupt nicht richtig und fast in
jedem Punkte zu bestreiten.
Haben wir nicht in den meisten deutschen Einzelstaaten seit
nunmehr fast 100 Jahren, in Preußen seit 70 Jahren, Volksver-
tretungen ynd im Deutschen Reiche seit mehr als 50 Jahren einen
aus freiester allgemeiner Wahl des ganzen Volkes hervorgegangenen
Reichstag gehabt, in dem doch alle wirklichen staatsmännischen
Talente hervortreten konnten und tatsächlich auch zur Erscheinung
und Geltung gekommen sind? Die Namen solcher hervorragender
Parlamentarier sind bekannt genug, es sind ihrer auch zu viele,
als daß sie hier sämtlich aufgeführt werden könnten. Wie kann
man da behaupten, daß die besten Kräfte des Volkes vom Beamten-
tum in Anspruch genommen worden seien? Haben nicht ferner
auch -die höheren Staatsbeamten im parlamentarischen Leben aus-
giebige Gelegenheit gefunden, sich als Politiker auszubilden, staats-
männische Eigenschaften zu entwickeln und zu betätigen? und
sind nicht die Monarchen gerade hierdurch in die Lage gekommen,
sich die geeignetsten Persönlichkeiten zu ihren Ratgebern auszu-
wählen? Dennoch haben sie sich bei dieser Wahl nicht aus-
schließlich auf den Beamtenstand beschränkt, sondern auch her-
vorragende Männer aus den Kreisen der Abgeordneten herange-
zogen. Zu alldem bedurfte es aber doch nicht des parlamenta-
rischen Systems, welches ihnen die freie Wahl entzog und ledig-
lich Parteihäupter als Minister oktroyierte. Gerade dieses System
hätte sie der Füglichkeit beraubt, die besten Kräfte zur Leitung