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ist, nämlich der Lahmlegung des Parlamentes durch Obstruk-
tion, entweder mit Hilfe der Geschäftsordnung oder schließlich
auch, indem sie der Gewalt wieder Gewalt entgegensetzt. Damit
führt sie das Majoritätsprinzip ab! absurdum, indem sie beweist,
daß gegen brutale Majorisierung auch die Minorität der Majorität
ihren Willen aufzuzwiugen oder doch deren Willen zu vereiteln
vermap. „Ein Haus aber“ sagt ZENKER 8. 98 weiter“ „welches ein-
mal die Obstruktion so gründlich ausgekostet hat, wie das eng-
lische oder österreichische, wird sich für alle Zukunft hüten, seine
Minoritäten je wieder aufs Aeußerste zu treiben.*
In diesem Mittel der Obstruktion liegt nun allerdings ein
gewisses Korrektiv gegen mißbräuchliche und brutale Mehrheits-
herrschaft in den Parlamenten. Dieses Mittel an sich ist aber
kein ordnungsmäßiges, mag sich vielleicht sein Gebrauch auch in
den formalen Grenzen der Geschäftsordnung halten, jedenfalls ist
es selbst sehr leicht dem Mißbrauche ausgesetzt. Die Minderheiten
in den Parlamenten bedürfen deshalb noch eines besonderen
Schutzes, der um so gerechtfertigter erscheint, als meist auch
die Minderheiten über hervorragende Persönlichkeiten mit viel-
leicht höherer, staatsmännischer Weisheit verfügen *°.
$ 10. Parteiregierung. Das parlamentarische System
macht den Staat zum Spielball der Parteien, die Herrschaft über
den Staat zum Kampfpreis im gegenseitigen Ringen widerstreitender
Kräfte und sozialer Interessen. Diesen Kampf wird es immer
geben: llölepnos narip ravrwv. „Sein Ende wäre der Tod, in der
#2 Einen verfassungsmäßigen Schutz der Minderheit gegen Ueberei-
lungen der Mehrheit bezweckt z. B. Art. 72 der neuen Reichsverfassung,
wonach die Verkündung eines Reichsgesetzes zwei Monate auszusetzen ist,
wenn es ein Drittel des Reichstags verlangt. Freilich besteht dieser
Schutz nur darin, daß der Dringlichkeitsbeschluß des Reichstages,
wodurch sich dieser über das Minderheitsverlangen hinaussetzen kann (Art. 72
S. 2), der Zustimmung des Reichsrates bedarf und auch wenn diese erfolgt,
dann den Reichspräsidenten noch nicht zur sofortigen Verkündung des
Gesetzes zwingt. Dieser kann dann ungeachtet des Dringlichkeits-
beschlusses das Gesetz nach Art. 74 zunächst zum Volksentscheide bringen.