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ihrer Rücktritt fordert (Sächs. Verf. Art. 27 Abs. 2), infolgedessen
auch in der Handhabung seiner vollziehenden Gewalt nicht bloß
unter der schärfsten Kontrolle des Landtages, sondern auch 'dessen
unmittelbarem Einflusse jederzeit ausgesetzt. Seine Amtsführung
ist wie die aller übrigen Minister auf die Wahlperiode oder die
Dauer eines jeden Landtages beschränkt; denn nach jeder Neu-
wahl des ‘Landtages ist das Gesamtministerium neu zu bilden
(Sächs. Verf. Art. 26 Abs. 3). So ist der Staatspräsident oder
finisterpräsident in den deutschen Einzelstaaten lediglich das
ausführende Organ des Landtages, „simple commis du parlement“
wie DUGUIT den französichen Präsidenten bezeichnet hat (s. oben
S. 266 Anm. 14). Auch die ihm zustehende Bestimmung der „Richt -
linien der Politik* ist ohne jede praktische Bedeutung. Denn
diese Richtlinien werden ihm von der Parlamentsmehrheit, deren
Geschöpf erist, bindend vorgezeichnet”? (s. auch unten Seite 353).
Das ist kein Zustand, der zu einer ruhigen und stetigen Entwick-
lung des Staatswesens führen kann, besonders nicht bei schwan-
kenden und unsicheren Parlamentsmehrheiten, die, wie z. B. jetzt
in Sachsen, der Regierung keine feste Stütze bieten. Gerade unter
solchen Verhältnissen bedarf es eines vom ganzen Volke gewählten,
von keiner Partei abhängigen Staatspräsidenten, als des „ruhenden
Poles in der Erscheinungen Flucht*, der, wenn auch in der
Berufung und Entlassung seiner Minister beschränkt durch das
parlamentarische System, doch sonst sein Amt unentwegt und
lediglich durch die Rücksichten auf das allgemeine Staatswohl
bestimmt ausüben kann. Und dieser Präsident dürfte auch vor
Ablauf seiner Amtsperiode nur so, wie er gewählt worden ist,
nämlich durch Volksabstimmung, wieder abberufen werden, die
entweder auf Grund Volksbegehrens oder sei es auch, wie nach
der Reichsverfassung Art. 43 Abs. 2, auf einen entsprechenden
"2 So sagt auch BORNHAK in seinem Kommentar der deutschen Reichs-
verfassung 2. Aufl. S. 55 vom Reichskanzler: „Soweit die deutsche Partei-
zersetzung einheitliche Richtlinien überhaupt gestattet, können sie nur auf
Vereinbarungen der Parteien beruhen.“