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verwaltung hinstrebenden Zeit Regierung und Landtag zu einer Aende-
rung veranlaßt haben, die mit dem Gedanken der lokalen Selbstver-
waltung in einem gewissen Widerspruche steht. Die Tatsache, dab
auch in mehreren anderen großen Gliedstaaten des Reiches ähnliche
Verstaatlichungsgedanken zutage getreten sind, zum Teil sich schon
zu (sesetzesvorlagen verdichtet haben, läßt darauf schließen, daß die
gemeinsame Veranlassung hierzu in Erscheinungen und Vorgängen zu
suchen ist, die das ganze Reich betreffen. Es trifft dies in der Tat
zu: Es ist vor allem der im Landessteuergesetze vom 30. März 1920
geforderte Polizeilastenausgleich, der in Sachsen den äußeren
Anlaß zur Aufrollung der ganzen Verstaatlichungsfrage gegeben hat.
Es ist allgemein bekannt, daß die Aufwendungen für die Polizei
in den letzten Jahren außerordentlich in die Höhe geschnellt sind und
ein Vielfaches des Standes vor 1914 betragen; das gilt natürlich auch
für die Städte und ganz besonders für die großen Städte, die sich
leider immer mehr zu einem Sammelpunkt unlauterer, verbrecherischer
Elemente entwickelt und die Stadiverwaltungen zu einer starken Ver-
mehrung ihrer Schutzkräfte gezwungen haben, um die Sicherheit nur einiger-
maßen gewährleisten zu können. Diese Steigerung der Aufwendungen für
polizeiliche Zwecke ist für viele Gemeinden auf die Dauer um so unerträg-
licher geworden, als ihrnichteinegleichen Schritt haltende Steigerung ihrer
Steuereinnahmen gegenübersteht. So betrugen z.B. in der zur Zeit größten
Stadt Sachsens, in Leipzig, die Aufwendungen für die Sicherheitspolizei in
den ‚Jahren 1917 und 1918 noch rund 3°/ı bzw. 41/3 Millionen Mark,
im Jahre 1919 schon 12°/, Millionen Mark, 1920 bereits 25 Millionen
Mark und für 1921 ist mit 281/s Millionen Mark zu rechnen, wobei
noch gar nicht der Mehraufwand berücksichtigt ist, den die neueren
Teuerungszuschläge verursachen werden, über die jetzt verhandelt wird.
Demgegenüber hat als Ausfluß der eingangs erwähnten im Jahre 1853
erfolgten Verstaatlichung ihrer Sicherheitspolizei die Stadtgemeinde
Dresden nach einem noch mehrere Jahre laufenden Vertrage einen
jährlichen Polizeikostenbeitrag von nur 1.50 Mark für den Kopf der
Bevölkerung an den Staat zu leisten; Leipzig, welches nur etwas größer
ist, hat im Jahre 1919 durchschnittlich pro Kopf 16.87 Mark aufwenden
müssen, die anderen größeren Städte 14 Mark bis 9.50 Mark. Diese
Kopfdurchschnittszahlen haben sich in den großen Städten für das
Jahr 1920 bereits verdoppelt und werden im Jahre1921 vermutlich das
Dreifache erreichen. Es drängen daher die Verhältnisse von selbst zu
einem Ausgleiche der Polizeilasten innerhalb des T,andes, insbesondere