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tag derart weite sind, daß man kaum eine Persönlichkeit auf einen
Ministerposten berufen wird, die diesen Bedingungen nicht genügt.
Nach den Bestimmungen des Reichswahlgesetzes, auf Grund dessen
die Wahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung sich
vollzogen, ist zum Reichstag wählbar jeder Wahlberechtigte, der
am Wahltage seit mindestens einem Jahre Deutscher ist. Wahl-
berechtigt ıst jeder Deutsche, der das 20. Lebensjahr vollendet
hat und weder entmündigt noch unter vorläufiger Vormundschaft
oder der bürgerlichen Ehrenrechte beraubt ist. In der Praxis
wird man wohl immer bei der Wahl der Minister eine bedeutend
engere Grenze ziehen, als durch diese Vorschriften gegeben wäre.
Praktisch weit wichtiger wäre die Nachahmung einer andern Vor-
schrift der Schweiz, daß nämlich die Mitglieder der Regierung
kein anderes Amt, keinen andern Beruf oder Gewerbe gleichzeitig
bekleiden dürfen. Gerade bei den schwankenden politischen Ver-
hältnissen des Deutschen Reiches liegt die Gefahr nahe, daß der
Minister, der seiner Stellung nie sicher ist, neben seinem Minister-
posten ein Amt oder einen Beruf hat, der ihn für den Fall seiner
Demission sicherstellt. Das bedeutet aber eine Schwächung der
Arbeitskraft für den Ministerposten, der die Kraft eines Menschen
völlig in Anspruch nimmt, außerdem liegt die Gefahr der Korrup-
tion des öffentlichen Lebens damit nahe. Die Verfassungen der
Länder des Deutschen Reiches sind dem Vorbild der Schweiz fast
sämtlich gefolgt und untersagen den Mitgliedern der Regierung
jeden Nebenberuf, eine Vorschrift gleichen Inhalts wäre auch für
das Reich erstrebenswert. Die Reichsverfassung enthält vorläufig
keine Bestimmungen über die persönliche Qualifikation der Re-
gierungsmitglieder; Art. 54 der Reichsverfassung stellt nur den
ersten Grundsatz der parlamentarischen Regierung auf, daß die
Minister zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Reichstages
bedürfen. Die Einzelheiten sind völlig der Praxis überlassen. So
lange jegliche Praxis noch fehlt, ist es schwerlich möglich, zu
einem abschließenden Urteil zu gelangen.