Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 41 (41)

— 31 — 
tag derart weite sind, daß man kaum eine Persönlichkeit auf einen 
Ministerposten berufen wird, die diesen Bedingungen nicht genügt. 
Nach den Bestimmungen des Reichswahlgesetzes, auf Grund dessen 
die Wahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung sich 
vollzogen, ist zum Reichstag wählbar jeder Wahlberechtigte, der 
am Wahltage seit mindestens einem Jahre Deutscher ist. Wahl- 
berechtigt ıst jeder Deutsche, der das 20. Lebensjahr vollendet 
hat und weder entmündigt noch unter vorläufiger Vormundschaft 
oder der bürgerlichen Ehrenrechte beraubt ist. In der Praxis 
wird man wohl immer bei der Wahl der Minister eine bedeutend 
engere Grenze ziehen, als durch diese Vorschriften gegeben wäre. 
Praktisch weit wichtiger wäre die Nachahmung einer andern Vor- 
schrift der Schweiz, daß nämlich die Mitglieder der Regierung 
kein anderes Amt, keinen andern Beruf oder Gewerbe gleichzeitig 
bekleiden dürfen. Gerade bei den schwankenden politischen Ver- 
hältnissen des Deutschen Reiches liegt die Gefahr nahe, daß der 
Minister, der seiner Stellung nie sicher ist, neben seinem Minister- 
posten ein Amt oder einen Beruf hat, der ihn für den Fall seiner 
Demission sicherstellt. Das bedeutet aber eine Schwächung der 
Arbeitskraft für den Ministerposten, der die Kraft eines Menschen 
völlig in Anspruch nimmt, außerdem liegt die Gefahr der Korrup- 
tion des öffentlichen Lebens damit nahe. Die Verfassungen der 
Länder des Deutschen Reiches sind dem Vorbild der Schweiz fast 
sämtlich gefolgt und untersagen den Mitgliedern der Regierung 
jeden Nebenberuf, eine Vorschrift gleichen Inhalts wäre auch für 
das Reich erstrebenswert. Die Reichsverfassung enthält vorläufig 
keine Bestimmungen über die persönliche Qualifikation der Re- 
gierungsmitglieder; Art. 54 der Reichsverfassung stellt nur den 
ersten Grundsatz der parlamentarischen Regierung auf, daß die 
Minister zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Reichstages 
bedürfen. Die Einzelheiten sind völlig der Praxis überlassen. So 
lange jegliche Praxis noch fehlt, ist es schwerlich möglich, zu 
einem abschließenden Urteil zu gelangen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.