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Das parlamentarische System verfassungs-
gemäß möglich.
Ob die Verwirklichung des parlamentarischen Systems in seiner
echten Form in Deutschland unter der neuen Verfassung zur Tat-
sache werden wird, muß der Entwicklung überlassen bleiben. Die
Betrachtung der einschlägigen Verfassungsvorschriften zeigt nur,
daß der Verwirklichung des Systems durch die Verfassung selbst
kein Hindernis in den Weg gelegt ist. Der Gleichgewichtszustand
zwischen gesetzgebender und vollziehender Gewalt, die Möglich-
keit, daß das Staatsoberhaupt das Volk zum Schiedsrichter zwi-
schen den streitenden Gewalten anruft, ist gewährleistet. Es wird
zum großen Teil von den leitenden Persönlichkeiten, die in den
Anfangsstadien der Entwicklung das Schiff steuern, abhängen, ob
die Entwicklung den Weg beschreitet, der ihr durch die Verfas-
sung freigegeben ist.
Die Regierungsbildung in den Ländern des Deutschen Reiches
nach den bisher erschienenen freistaatlichen Verfassungen.
Die ehemaligen Bundesstaaten des Deutschen Reiches sahen
sich nach der Revolution vom November 1918 ebenfalls vor die
Aufgabe gestellt, sich eine neue Verfassung zu geben. Bei dieser
Aufgabe durften sie jedoch nicht nach eigenem Belieben vorgehen.
Der Artikel 17 der Reichsverfassung vom 11. August 1919 stellte
bestimmte Normativbestimmungen auf, denen die Verfassungen der
Länder genügen mußten. Unter diesen Bestimmungen findet sich
die Forderung, daß die Landesregierung des Vertrauens der Volks-
vertretung bedarf, der oberste Grundsatz des parlamentarischen
Systems. Außerdem wurde den Ländern von seiten des Reichs
nahegelegt, sie sollten auf die Wahl eines Präsidenten verzichten
und es sei für sie zweckmäßig, sich bei der Ausgestaltung der
Exekutive an das Vorbild der Schweiz zu halten. Es handelte
sich also um die Lösung eines neuen Problems, um die Synthese
des parlamentarischen Systems mit einer Art Direktorialsystem.