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Rechtsprechung nutzbar zu machen, sonst nur mit Hilfe von Sach-
verständigen sich aneignen kann; hier spricht man von „qualifi-
zierten Laien“. Deren Zuziehung ist aber heute Seltenheit? oder
Zufall; denn regelmäßig erfolgt die Zuziehung nicht nach sach-
liehen Gesichtspunkten, sondern unterschiedslos ohne Gewähr für
Brauchbarkeit oder Erprobung der Fähigkeit und ohne Rücksicht
auf eine etwaige besondere Sachkunde des Laien für den Fall,
den er mitaburteilen soll. Insbesondere gilt dies für den wich-
tigsten Teil unserer Justiz, "die ordentliche Strafgerichtsbarkeit.
Zugunsten der reinen Juristengerichte wird
vorgebracht: Gesetze anwenden kann nur, wer sie kennt. In ein-
fachen, unentwickelten Verhältnissen, in Zeiten und Ländern ein-
facheren Lebens und Verkehrs, ist das Recht nicht kompliziert
und seine Kenntnis Gemeingut weiterer Volkskreise; hier ist es
nicht auffallend, wenn Männer aus dem Volk ohne besondere Vor-
bildung richten. Je vielgestaltiger das Leben, je stärker der Ver-
kehr, je verschiedenartiger und vielseitiger die Beziehungen der
Menschen und Völker, um so zahlreicher und verwickelter werden
die Gesetze, um so schwieriger der Ueberblick über das Recht.
Dessen Kenntnis und Beherrschung wird zu einer Wissenschaft;
sie ist nicht mehr Gemeingut der Volksmasse oder auch nur der
Gebildeten, sondern erst in gründlichen Spezialstudien zu erlernen.
Wie jeder Beruf bloß von Personen ordentlich ausgeübt wird,
welche die hierzu erforderliche Ausbildung besitzen, so gilt Glei-
ches für den richterlichen Beruf, für den Dilettantismus und
Pfuscherei mindestens ebenso schädlich ist wie anderwärts. Rechts-
.— [0 000.
° Bei den sog. Fach- oder Sachverständigengerichten: Handelsrichter
in den Kammern für Handelssachen, Offiziere in den Militärgerichten und
allenfalls Beisitzer der Gewerbe- und Kaufmannsgerichte und einiger Ver-
waltungsgerichte, obschon Gewerbe- und Kaufmannsgerichte wesentlich
sozialpolitisch gedachte Klassengerichte sind, bei denen nur der von den
widerstreitenden Interessen unabhängige Vorsitzende als ausgleichender
Faktor erscheint (daher auch der Rechtsmittelzug an die landgerichtliche
Zivilkammer),