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Sondergerichte haben aber auch erhebliche Nachteile:
Sie zerstören die Einfachheit und Uebersichtlichkeit der Gerichts-
verfassung; sie gefährden die Rechtssicherheit zumal hinsichtlich
der Frage der Zuständigkeit in Grenzfällen. Sie zerreißen die
Einheitlichkeit der Rechtsprechung; sie fördern eine Ungleich-
mäßigkeit der Behandlung verschiedener Volkskreise, eine Ent-
fremdung der einzelnen Berufszweige und damit die soziale Zer-
klüftung. Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor einem Ge-
richte streiten, das in gleicher Zahl Standesgenossen beider Par-
teien aufweist, so wird dadureh oft ein Gefühl der Gegnerschaft
und Feindschaft erweckt und genährt. Die im Gerichte sitzenden
Standesgenossen fühlen sich leicht als Vertreter einer bestimmten
Klasse und verlieren hierdurch die nötige Unbefangenheit!”. Der
beschränkte und gleichbleibende Gegenstand der Geschäfte be-
wirkt eine gewisse Enge des Gesichtskreises und Einseitigkeit der
Auffassung.
Alle diese Nachteile wachsen mit der Zahl der Sondergerichte.
Wo aber soll die Spezialisierung aufhören? Was für einzelne
Berufsstände recht ist, ist für die zahlreichen anderen billig; in
der Ausstattung der einen mit Sondergerichten liegt eine Unbillig-
keit gegen die übrigen, ein Keim zur Unzufriedenheit. Es gibt
auf dieser Bahn nicht leicht ein Halten; darum sollte sie niemals
ohne triftigste Gründe betreten werden. Ist dies aber, wie bei
den Gewerbe und Kaufmannsgeriehten, geschehen, so kann vor-
läufig nur noch ihre — vielfach verlangte — Angliederung an die
Amtsgerichte (so daß die Amtsrichter kraft Gesetzes Vorsitzende
würden) und ihre organische Verbindung mit den ordentlichen
Gerichten weiterem Schaden einigermaßen begegnen, bis diese, im
Kampf ums Dasein verjüngt und ihrer ungeeigneten Ausrüstung
entledigt, die ihnen zugunsten der Sondergerichte genommene
Jurisdiktion wieder ganz an sich ziehen können.
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17 8, neuerdings E. WARSCHAUER, DRichterZtg. 1916 Sp. 440 ff,, bes.
442 f. und die dort Zit.