Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

206 Biertes Buch. Die Gesetzgebnug des Deutschen Reiches. 
Reichsgesetzblatt gültig verkündet werden dürfen, da dies durch kein Gesetz vor- 
geschrieben ist 7. Deshalb find Präsidial= (Kaiserliche) Verordnungen, die in den 
Amtsblättern verkündet find, z. B. die Militairersatzinstruction vom 26. März 1868, 
aus diesem Grunde nicht als ungültig zu erachten. Wo das Gesetz nichts über 
die Art der Publication der Reichsverordnungen bestimmt, hängt diese vom Er- 
messen Desjenigen ab, der die Verordnung erläßt. Daraus folgt, daß die amtliche 
Bekanntmachung der Reichsverordnungen auch in einem Buche erfolgen kann. Dies 
ist geschehen rücksichtlich des „amtlichen Waarenverzeichnisses“, welches gemäß § 12 
des Vereinszollgesetzes vom Bundesrath verfaßt ist, wie rückfichtlich der im 
v. Decker'schen Verlage erschienenen „Pharmacopee Germanica“ :. Da außer dem 
Gesetzblatt der Norddeutsche Bund und das Deutsche Reich bis zum Jahre 1873 
kein eigenes Verordnungsorgan besaßen, so erklärt sich, daß bis dahin Bundesrath 
und Reichskanzler ihre Verordnungen entweder durch das Gesetzblatt oder durch die 
Landesbehörden verkünden ließen. Gemäß Bekanntmachung des Reichskanzlers 
vom 22. December 1872 (Reichsanzeiger 1872, S, 304) erscheint seit Anfang 1873 
im Reichsamt des Innern eine Zeitschrift, welche zur Aufnahme (indeß nicht aus- 
schließlichen Aufnahme) solcher für das Publicum (l(also nicht bloß für die Be- 
hörden) bestimmter Veröffentlichungen der Organe des Reiches dienen soll, welche 
der Verkündigung durch das Reichsgesetzblatt nach Art. 2 der Reichsverfassung und 
nach der Verordnung vom 26. Juli 1867 (B.-G.-Bl. 1867, S. 24) nicht bedürfen. 
Aus Art. 17 der Reichsverfassung ergiebt sich, daß nicht bloß die Gesetze, 
sondern auch die Verordnungen wie überhaupt alle Anordnungen des Kaisers im 
Namen des Reiches erlassen werden müssen und der Gegenzeichnung des Reichs- 
kanzlers, bezw. seines zur Gegenzeichnung befugten Stellvertreters bedürfen ". Daß 
sie, wenn es keine formellen Gesetze, sondern Verordnungen sind, im Gesetzblatt 
bekannt gemacht werden müssen, schreibt Art. 17 nicht vor S. Preußische Verord- 
nungen, die nur mittelbar und inhaltlich Reichsverordnungen werden, weil 
sie auch in den übrigen Bundesstaaten auf Grund der Art. 61 oder 63 der Reichs- 
verfassung einzuführen find, bedürfen dagegen der Gegenzeichnung des preußischen 
Ministers, z. B. die Kriegsartikel, die Disciplinarstrafordnung für das Heer vom 
81. October 1872 und die Heerordnung vom 28. September 18756. 
Die Verordnungen des Bundesraths bedürfen keiner Gegenzeichnung. Ver- 
ordnungen, welche gemäß Art. 5, Abs. 2 und Art. 387 der Reichsverfassung gültig nur 
mit Kaiserlicher Zustimmung erlassen werden können, z. B. Ein= und Ausfuhrverbote, 
werden unter Gegenzeichnung des Reichskanzlers vom Kaiser „nach erfolgter Zu- 
stimmung des Bundesraths“ publicirt 7. 
Es ist zweckmäßig und vielfach gebräuchlich, aber nicht nothwendig, außer, 
wenn ein Gesetz dies besonders vorschreibt, daß in jeder Verordnung die zu ihrem 
Erlasse ermächtigende Gesetzesbestimmung angezogen wird. 
Da Verordnungen nach Reichsrecht nur auf Grund verfassungs= oder gesetz- 
mäßiger Ermächtigung, d. h. nur intra, nicht extra legem zulässig find, so kann 
durch eine Verordnung von der Befolgung eines Reichsgesetzes nicht dispenfirt, 
noch durch eine Verordnung ein Reichsgesetz ganz oder theilweise suspendirt 
werden ?. 
Von dem Inhalte einer Verordnung kann Der, welcher diese erlassen hat, nur 
a priori, nicht a posteriori dispenfiren. Dies bedeutet, daß von einer Verordnung 
  
1 S. Verordnung, betr. die Einführung des21. Juni 1872 dort 1872, S. 316, siehe auch 
Bundesgesetzblattes vom 26. Juli 1867 (B.-G.= ebendort 1870, S. 8, u. A. m. 
Bl. 1867, S. 24), und Arndt, Verordnungs- 4 Erk. des Reichsger, vom 13. Juni 1882 
recht, S. 202. in den Entsch. für Civils., Bd. VIII, S. 3. 
* Daß die Pharmacopc#a Rechtsverordnungen 5 Anderer Ansicht Laband I, S. 584. 
enthält, ergiebt sich aus d 36r, Ziff. 5 des Reichs- Siehe weiter unten. 
strafgesetzbuchs; vgl. auch Bekanntmachung des 7 Siehe Verordnung. vom 1. April 1876 
Reichskanzler vom 8. Juli 1873 (Centralbl. f.R.-G.-Bl. 1876, S. 137), vom 29. Juni 1880 
das Deutsche Reich 1873, S. 333). (R.-G.-Bl. 1880, S. 169) und oben S. 180—182. 
2 In Zoll= und Steuersachen in Preußen s Arndt, Verordnungsre t, S. 210. 
durch das Centralbl. für Abgabengesetzebung ? Val. hierzu Arndt, Verordnungs 
siehe z. B. den Bundezrathsbef ess vom S. 228. bierz gsrecht, 
 
	        
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