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vom 28. Mai 1885 (R.-G.-Bl. 1885, S. 159) Anwendung. Verunglückt daher
Jemand im Betriebe einer solchen Eisenbahn, so liegt kein Eisenbahnbetriebsunfall-
vor, vielmehr nur ein Unfall im Hauptbetriebe (landwirthschaftlichen, industriellen,
bergbaulichen). Der Anspruch auf die Unfallrente ist dementsprechend an die den
Hauptbetrieb umfassende Berufsgenossenschaft zu richten. Weder die auf Grund der
Reichsverfassung erlassenen Bundesrathsverordnungen, noch was das Handels-
gesetzbuch über das Frachtgeschäft der Eisenbahnen vorschreibt, gelten für Privat-
eisenbahnen 1. Dagegen unterliegen sie nach der constanten Praxis des Reichs-
Oberhandelsgerichts und des Reichsgerichts? dem Haftpflichtgesetze vom 7. Juni 1871,
da es diesem Gesetze gegenüber nur auf die Gefährlichkeit des Betriebes an-
kommt. Sicher ist, daß Diebstahl auf einer Privateisenbahn kein gualificirter
Diebstahl im Sinne des § 243 des Reichsstrafgesetzbuchs ist?; fraglich, indeß hier
nicht zu entscheiden ist, ob ihre Gefährdung als Gefährdung eines Eisenbahn-
transports im Sinne der §§ 315 und 316 des Strafgesetzbuchs aufzufassen ist".
Werden Personen oder Güter gegen Entgelt auf Privateisenbahnen befördert (was
nur in sehr beschränktem, den Charakter eines bffentlichen Verkehrsinstituts aus-
schließendem Maße statthaft ist), so gelten dafür lediglich die allgemeinen Regeln
des Transportgeschäftes.
Besondere Vorschriften des öffentlichen Rechts gelten für diejenigen Privat-
eisenbahnen, die mit Maschinen betrieben werden und derart in unmittelbarer
Eleisverbindung mit öffentlichen Eisenbahnen stehen, daß ein Uebergang der Be-
triebsmittel stattfinden kann (preußisches Kleinbahngesetz vom 28. Juli 1892",
§s 48 ff.). Diese sog. Privatanschlußbahnen bedürfen in allen Fällen der
polizeilichen Prüfung und Genehmigung, nicht von Seiten der Eisenbahn-,
sondern der sonst zuständigen Landesbehörde. Diese Genehmigung hat nicht den
Charakter eines Privilegs, sondern die negative Bedeutung, daß kein polizeiliches
Bedenken gegen den Uebergang der Transportmittel stattfindet. Daher beschränkt
sich die Prüfung nur auf sicherheitspolizeiliche Gegenstände: betriebssichere
Beschaffenheit der Bahn und der Betriebsmittel, die technische Befähigung und
Zuverlässigkeit der im äußeren Dienst Angestellten, Schutz gegen schädliche Ein-
wirkungen der Anlage und des Betriebes. Daher erstreckt sich die Prüfung nicht
auf die finanziellen Mittel des Unternehmers, noch auf den volkswirthschaftlichen
Nutzen der Bahn und dergl. Die eisenbahntechnische Aufsicht und Ueberwachung der
Privatanschlußbahnen erfolgen durch die Eisenbahnbehörde (§ 50 des Gesetzes vom
28. Juli 1892). «
Gehen wir zu den öffentlichen Eisenbahnen über, so zerfallen diese in zwei
Kategorien: die, welche der Deutschen Reichsverfassung oder, was sachlich
auf Dasselbe hinausläuft, in Preußen dem Eisenbahngesetze vom 3. November 1838,
und die, welche Kleinbahnen find, welche also in Preußen dem Gesetze vom
28. Juli 1892 unterstehen. Die Deutsche Reichsverfassung unterstellt in Art. 4
der Beauffichtigung und Gesetzgebung des Deutschen Reiches Ziffer 8: „das Eisen-
bahnwesen — im Interesse der Landesvertheidigung und des all-
gemeinen Verkehrs.“ Der Abgeordnete Michaelis beantragte im ver-
fassungsberathenden norddeutschen Reichstage, die Worte „im Interesse der Landes-
vertheidigung und des öffentlichen Verkehrs“ zu streichen (Sten. Ber. S. 277).
Er erklärte, daß er damit nicht beabsichtige, „dadurch die Wege zu öffnen, um alle
Lokalbahnen, und was damit zusammenhängt, in die Hände des Bundes zu
legen —.“ Seinen Antrag bekämpfte (ebendort S. 278) der Bundeskommissar,
preußischer Handelsminister Graf zu Itzenplitz: „— Nun, dem allgemeinen
Verkehr steht doch gegenüber der Special= und Lokalverkehr. Jede kleine
Lokalbahn, die zwei Städte mit einander verbindet, der Bundesgesetzgebung zu
1 Ebenso C osack, Lehrbuch des Handelsrechts, Material (Dampf, Elektricitäi) betrieben werden,
4. Aufl., S. 423. # dagegen Erk. des Reichsger. vom 24. Febr. 1881,
*3. B. Erkenntniß des Reichsgerichts vom ECntsch. in Stuaft. Bd. III, S. 115.
2. Aril 1887. 5 Preuß. Ges.-S. 1892, S. 225, Commentare
* Vgl. v. Lißzt Strafrecht, § 126. von Eger, Gleim u. A.
* Dafür v. ifzt. wenn sie mit todtem
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