Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

432 Siebentes Buch. Finauzwesen. 
gemeinschaftliche Ausgaben für Heer, Flotte, auswärtige Vertretung, das Konsulats- 
wesen u. s. w. Ebenso wie früher die Reineinnahmen der Zölle und Verbrauchssteuern 
zur Zeit des Zollvereins, vor der Bundesverfassung, nach der Kopfzahl matrikular- 
mäßig vertheilt wurden, sollen nach der Bundesverfassung die Ausgaben des 
Bundes nach dem nämlichen Verhältnisse von den einzelnen Bundesstaaten auf- 
gebracht werden. Es wird die Aufstellung eines besonderen Bundeshaushalts in 
Einnahme und Ausgabe vorgeschrieben, die Erhebung von Steuern aller Art, auch 
direkter, für die Bundeskasse gestattet; es wird bestimmt, daß Ersparnisse am 
Heeresetat nicht dem Contingent (dem einzelnen Bundesstaat), sondern dem Bunde 
zu Statten kommen. Auch die Aufnahme von Anleihen zu Lasten des Bundes wird 
gestattet, und es wird endlich gefordert, daß über die Verwendung aller Bundes- 
einnahmen durch den Reichskanzler alljährlich dem Bundesrathe und dem Reichstage 
zur Entlastung Rechnung gelegt werde. Schon aus diesen allgemeinen Vorschriften 
war zu folgern, daß der Norddeutsche Bund auch vermögensrechtlich eine selbst- 
ständige Rechtspersönlichkeit darstellt mit eigenen Activen und Passiven, eigenen 
Einnahmen und eigenen Ausgaben, obgleich in der Verfassung des Norddeutschen 
Bundes wie in der des Deutschen Reiches die Ausdrücke „Bundesfiskus“ oder 
„Reichsfiskus“ nicht vorkommen 1. Aus dem Begriffe Bundesstaat oder Staaten- 
bund läßt sich allerdings weder das Eine noch das Andere herleiten. Der Ausdruck 
„Bundesfiskus“ kommt in den Gesetzen zuerst 1870 vor, und zwar in §2, Abf. 3 
des Gesetzes über die Abgaben von der Flößerei, vom 1. Juni 1870 (B.-G.--Bl. 
1870, S. 312), und zwar, um den Träger einer Entschädigungspflicht zu be- 
zeichnen. Die Bezeichnung „Bundeseigenthum“ findet sich schon im § 1 des Ge- 
setzes, betreffend die Kontrole des Bundeshaushalts für die Jahre 1867 bis 1869, 
vom 4. Juli 1868 (B.-G.-Bl. 1868, S. 433). Der Ausdruck „Reichsfiskus“ 
erscheint alsbald häufiger. Offenbar ist mit dem Bundesfiskus nichts Anderes gemeint 
wie mit der „Bundeskasse“ in Art. 38 der Bundesverfassung. 
Bestände noch ein Zweifel darüber, daß der Norddeutsche Bund oder das 
Reich ebenso politisch und staatlich wie finanziell und vermögensrechtlich eine eigene 
Rechtspersönlichkeit von Anfang an dargestellt haben oder darstellen, so würde er 
durch das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der zum dienstlichen Gebrauche einer 
Reichsverwaltung bestimmten Gegenstände vom 25. Mai 1873 (R.-G.-Bl. 1873, 
S. 113) gehoben sein. Als zweifellos galt den verbündeten Regierungen, daß, 
was der Norddeutsche Bund oder das Deutsche Reich angeschafft haben, Bundes- 
oder Reichsvermögen war. In Frage stand bei Berathung und Erlaß des Gesetzes 
vom 25. Mai 1873, ob das Eigenthum auch an denjenigen Gegenständen. un- 
beweglichen wie beweglichen, welche früher den Bundesstaaten gehörten und in die 
Verwaltung des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches übertragen 
waren, den einzelnen Bundesstaaten verblieben oder auf den Norddeutschen Bund 
oder das Deutsche Reich übergegangen war, ob also z. B. die Kriegsmarineanlagen 
in Kiel und an der Jahde (Fortificationen, Kasernen, Verwaltungsgebäude), ob die 
Gebäude der Post= und Telegraphenverwaltung, der Konsulate u. s. w. noch z. B. 
preußisches Staatseigenthum geblieben oder Reichseigenthum geworden waren. 
Rücksichtlich der beweglichen Sachen bestand nach der Erklärung des Präsidenten 
im Reichskanzleramt Delbrück am 18. März 18737 niemals ein Zweifel bei 
den Regierungen, daß fie alsbald mit Uebergang der Verwaltung an das Reich 
Reichseigenthum geworden waren. Zweifel bestanden nur wegen der Immo- 
ilien. 
Daher declarirte das Gesetz vom 25. Mai 1878 in § 1, daß auch diese 
alsbald mit Uebergang der Verwaltung ex tunc das Eigenthum des Norddeutschen 
Bundes bezw. des Deutschen Reiches geworden waren 9. Ausgenommen von dem 
Uebergang in das Reichseigenthum bleiben nach § 2 des Gesetzes vom 25. Mai 1873 
  
  
1 Ebenso Hänel, Reichsstaatsrecht, I, S. 2 Sten. Ber. des Reichstages 1873, S. 22. 
364; anderer Ansicht v. Martitz, Betrach- 2 VAgl. Miquel am 28. April 1873 in den 
tungen, S. 35; siehe auch Seydel, in Behrend, Sten. Ber. des Reichst. 1873, S. 374, Becker- 
Zeitschr. für die Gesetzgebung, VII, S. 266. Oldenburg, ebendort S. 378.
	        
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