l44. Der Reichsfiskus, Reichsvermögen und Reichsschulden. 485
find Reichsbeamte als solche nicht von Communalsteuern, also auch nicht von Octrois
befreit. Die Reichsbeamten haben im Wesentlichen dieselben Steuerprivilegien wie
die Landesbeamten.
Da der Reichsfiskus nur dem Reichsrecht und nicht dem Landesrecht unter-
worfen ist, dem Landesrecht also nur, soweit er ihm kraft Reichsgesetzes unterworfen
sein soll, so können die Privilegien des Reichsfiskus auch nicht in jedem Bundes-
staate von dessen Gesetzgebung beliebig geändert werden 2. Richtig ist, daß, weil
das Reich seine Grundstücke ebenso wie Staatsgrundstücke besteuern lassen will, die
Bundesstaaten in Bezug auf die Regelung der auch vom Reiche zu tragenden
Grund= und Gebäudesteuer autonom geblieben find. Wenn also die Gemeinden in
Preußen, denen der Staat die Grund= und Gebäudesteuer vom 1. April 18983 ab
überwiesen hat, die Grund= und Gebäudesteuern erhöhen, so hat dies auch für die
dem Reichsfiskus gehörigen Grundstücke Bedeutung ?.
Bezüglich des Gerichtsstandes kommen die §§ 18 und 19 der Reichs-Civil-
prozeßordnung (Fassung des Gesetzes vom 20. Mai 1898) zur Anwendung. 8§ 18:
„Der allgemeine Gerichtsstand des Fiskus wird durch den Sitz der Behörde be-
stimmt, welche berufen ist, den Fiskus in dem Rechtsstreite zu vertreten.“ § 19:
„Ist der Ort, an welchem eine Behörde ihren Siß hat, in mehrere Gerichtsbezirke
getheilt, so wird der Bezirk, welcher im Sinne der §§ 17, 18 als Sitz der Be-
hörde gilt, für die Reichsbehörde von dem Reichskanzler, im Uebrigen von der
Landesjustizverwaltung durch allgemeine Anordnung bestimmt.“ Für den Reichs-
fiskus gilt ferner § 15, Ziff. 3 des Einführungsgesetzes zur Civilprozeßordnung
(Fafsung des Gesetzes vom 20. Mai 1898), wonach die landesgesetzlichen Vor-
schriften über die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen gegen den Fiskus,
soweit nicht dingliche Rechte verfolgt werden, durch die Civiprozeßordnung unberührt
bleiben. Das Reich ist von den Kosten auch vor den Landesgerichten befreit, nach
der ausdrücklichen Vorschrift in § 98 des Gerichtskostengesetzes (Fassung vom
20. Mai 1898), einer überflüssigen Vorschrift, da die Kostenfreiheit schon be-
stehen würde, wenn und weil die Pflicht zur Kostenzahlung dem Reiche nicht aus-
drücklich durch Reichsgesetz aufgelegt ist.
Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, für welche nach dem Gegenstande oder der
Art des Anspruchs der Rechtsweg zulässig ist, darf aus dem Grunde, weil als
Partei der Fiskus betheiligt ist, der Rechtsweg durch die Landesgesetzgebung nicht
ausgeschlossen werden (§ 4 des Einführungsgesetzes zur Civilprozeßordnung).
Die Reichskonkursordnung (Fassung der Bekanntmachung vom 20. Mai 1898) be-
stimmt in § 49, Ziff. 1: „Den im § 48 bezeichneten Pfandgläubigern stehen gleich:
1) die Reichskasse, die Staatskassen u. s. w. wegen öffentlicher Abgaben, in Ansehung
der zurückgehaltenen oder in Beschlag genommenen zoll= und steuerpflichtigen Sachen.“
Dieses Vorrecht kommt materiell dem Reiche zu Gute, juristisch aber nur dem Bundes-
staate, der die Reichszölle und Reichssteuern erhebt und verwaltet. § 61 giebt
unter Ziff. 2 den Forderungen der Reichskasse wegen öffentlicher Abgaben, welche
im letzten Jahre vor der Eröffnung des Konkursverfahrens fällig geworden find
oder nach § 65 der Konkursordnung als fällig gelten, die Rangordnung der
zweiten Klasse.
Die Haftung des Reichsfiskus für Handlungen und Unterlassungen seiner Be-
amten wird beim Abschnitte über die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten dargestellt
werden.
Hier ist nochmals hervorzuheben, daß der Zoll= und Steuerfiskus nicht der
Reichs-, sondern der Landesfiskus ist. Denn nicht das Reich erhebt die Zölle und
Steuern, sondern der einzelne Bundesstaat. Dieser führt nur den Reinertrag
an die Reichskasse ab. Hiernach hat es der Bezahler des Zolls oder der Steuer
1 Siehe weiter unten. tages am 26. April, Sten. Ber. 1873, S. 356.
m# Anderer Ansicht Laband, II, S. 812. 4 Wegen der Klagen der Reichsbeamten gegen
* Vgl. auch die Erklärung des Reichsstaats= den Reichsfiskus siehe weiter unten.
sekretärs v. Möller in der Sitzung des Reichs
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