44. Der Reichsfiskus, Reichsvermögen und Reichsschulden. 143
es sich um Zinshöhe, Aufgebot oder Anderes handelt, gelten die Vorschriften der
Anleihegesetze, also Rechts= und niemals nur Vertragsnorment,
Die prozeßrechtlichen Sätze der Reichsanleihegesetze find durch die Reichscivil-
prozeßordnung nicht berührt worden (§ 13 des Einführungsgesetzes zur Civilprozeß=
ordnung); nebenher findet die Civilprozeßordnung (8§8§ 946 ff.) Anwendung. Der
Erlaß einer Reichsschuldenordnung im Wege der Reichsgesetzgebung ist in
Aussicht genommen.
Durch das Gesetz vom 31. Mai 1891 (R.-G.-Bl. 1891, S. 321) ist ein
Reichsschuldbuch eingerichtet. In dieses können in Gestalt von Schuld-
verschreibungen ausgestellte Schuldverschreibungen des Reiches in Buchschulden auf
den Namen bestimmter Gläubiger eingetragen werden. Die Eintragung erfolgt
gegen Einlieferung der Reichsschuldverschreibungen. Mit der Eintragung erlöschen
die Rechte des Inhabers an den eingelieferten Schuldverschreibungen. Auf Antrag
des berechtigten Buchschuldgläubigers erfolgt die Löschung der Buchschuld und werden
dem Gläubiger Schuldverschreibungen zum gleichen Nennwerthe und mit gleichem
Zinssatze ausgehändigt. Die Führung der Reichschuldbuchs ist der Reichsschulden-
verwaltung übertragen.
Nähere Ausführungsvorschriften sind in der Kaiserlichen Verordnung vom
24. Januar 1892 (R.-G.-Bl. 1892, S. 303) ergangen.
Zu den Schulden würden auch Inhaberpapiere mit Prämien (Prämien-
anleihen) gehören. Rücksichtlich dieser bestimmt das Gesetz, betreffend die Inhaber-
papiere mit Prämien, vom 8. Juni 1871 (R.-G.-Bl. 1871, S. 210), § 1: „Auf
den Inhaber lautende Schuldverschreibungen, in welchen allen Gläubigern oder
einem Theile derselben außer der Zahlung der vorgeschriebenen Geldfumme eine
Prämie dergestalt zugesichert wird, daß durch Ausloosung oder durch eine andere auf
den Zufall gestellte Art der Ermittelung die zu prämütrenden Schuldverschreibungen
und die Höhe der ihnen zufallenden Prämie bestimmt werden sollen (Inhaberpapiere
mit Prämien), dürfen innerhalb des Deutschen Reichs nur auf Grund eines Reichs-
gesetzes und nur zum Zwecke der Anleihe eines Bundesstaats oder des Reichs aus-
gegeben werden.“ § 2: „Inhaberpapiere mit Prämien, welche nach dem
30. April 1871 im Auslande ausgegeben sind, dürfen weder weiter begeben, noch
an den Börsen, noch an anderen zum Verkehr mit Werthpapieren bestimmten Ver-
sammlungsorten zum Gegenstande eines Geschäfts oder einer Geschäftsvermittelung
gemacht werden.“ § 3: „Dasselbe gilt vom 15. Juli 1871 ab von ausländischen
Inhaberpapieren mit Prämien, deren Ausgabe vor dem 1. Mai 1871 erfolgt ist,
sofern dieselben nicht abgestempelt find .
Das Reich hat solche Inhaberpapiere mit Prämien nicht ausgegeben.
Ueber die Tilgung der Schatzanweisungen und anderer Reichsschulden giebt es
keine allgemeinen Vorschriften. Es hängen Art und Höhe der Tilgung vom Er-
messen des Reichsgesetzgebers ab. In dem Gesetze vom 16. April 1896 (R.-G.-Bl.
1896, S. 103) wurden aus den Etatsüberschüssen von 1895/96 dreizehn Millionen
Mark zur Schuldentilgung bestimmt. Das Gesetz vom 25. März 1899 (R.-G.-Bl.
1899, S. 189) erhöhte den dem Reiche nach § 8 des Gesetzes vom 15. Juli 1879
verbleibenden Betrags auf 172 400 000 Mark und bestimmt einen entsprechenden Teil
des Ueberschusses zur Tilgung von Reichsschulden.
Die Verwaltung und Controle der Reichsschulden knüpfen an diejenige der
Schulden des preußischen Staates an. In Preußen wird seit dem Gesetz, betreffend
die Verwaltung des Staatsschuldenwesens und Bildung einer Staatsschulden-Kom-
mission, vom 24. Februar 1850 (G.-S. 1850, S. 57) die Hauptverwaltung der
Schulden durch eine von der allgemeinen Finanzverwaltung abgesonderte selbst-
ständige Behörde gebildet, welche aus einem Direktor und drei Mitgliedern (unter
gleicher Verantwortlichkeit) besteht. Diese, welche vom Könige ernannt werden,
leisten vor Antritt ihres Amtes in öffentlicher Sitzung des Ober-Verwaltungs-
1 Anderer Ansicht Laband, II, S. 842. Reich 1892, S. 157.
2 Siehe auch Centralbl. für das Deutsche 23 Oben S. 411.