444 Siebentes Buch. Finanzwesen.
gerichts! einen Eid, „daß sie weder einen Staatsschuldschein noch irgend ein anderes
Staatsschulden-Document über den in den bestehenden oder in Zukunft zu erlassenden
Gesetzen bestimmten Betrag hinaus ausstellen oder durch Andere ausstellen lassen,
auch mit allem Fleiß und Nachdruck darauf halten und dafür sorgen wollen, daß
die ihrer Verwaltung anvertraute Staatsschuld prompt und regelmäßig verzinst,
das Kapital aber in der durch die Gesetze vorgeschriebenen Art getilgt werde, und
daß sie sich von der Erfüllung dieser Pflichten und der übrigen, ihnen mit eigener
Verantwortlichkeit übertragenen Obliegenheiten durch keine Anweisungen und Ver-
ordnungen irgend einer Art abhalten lassen wollen“. Die Hauptverwaltung der
Staatsschulden ihrerseits steht unter der fortlaufenden Aufsicht der Staatsschulden-
kommission. Diese besteht aus je drei Mitgliedern beider Häuser des Landtages,
welche mit absoluter Mehrheit auf drei Jahre gewählt find, und aus dem Präsi-
denten der Ober-Rechnungskammer.
Bereits im Jahre 1867 war dem Reichstage ein Gesetzentwurf über die Ver-
waltung der Schulden des Norddeutschen Bundes vorgelegt, welcher dem oben
erwähnten Gesetze vom 24. Februar 1850 entsprach. Der Reichstag fügte nach-
stehende Bestimmung hinzu: „Erheben sich gegen die Dechargirung Anstände oder
finden sich sonst Mängel in der Verwaltung des Bundesschuldenwesens, so können die
daraus hergeleiteten Ansprüche sowohl vom Reichstage als auch vom Bundesrathe
gegen die verantwortlichen Beamten selbstständig verfolgt werden. Der Reichstag
kann nöthigenfalls mit der gerichtlichen Geltendmachung die von ihm gewählten
Mitglieder der Bundesschuldenkommission beauftragen.“ Wegen dieser Hinzufügung
lehnten die verbündeten Regierungen nunmehr den Entwurf ab. Eine endgültige
Regelung der Reichsschuldenverwaltung fehlt noch. Einstweilen erfolgt diese
Regelung gemäß dem Gesetze, betreffend die Verwaltung der nach Maßgabe des
Gesetzes vom 9. November 1867 aufzunehmenden Bundesanleihen, vom 19. Juni 1868
(B.-G.-Bl. 1868, S. 339). Darin wird bestimmt, daß bis zum Erlasse eines
definitiven Gesetzes über die Bundesschuldenverwaltung die Wahrnehmung der mit
der Verwaltung der Bundesschulden verbundenen Geschäfte der preußischen Haupt-
verwaltung der Staatsschulden übertragen und von dieser nach Maßgabe des
preußischen Gesetzes vom 24. Februar 1850 (G.-S. 1850, S. 57) geführt wird.
Die Verantwortlichkeit erstreckt sich auch darauf, daß eine Convertirung der Reichs-
schuldverschreibungen nicht anders als auf Grund eines Gesetzes und nachdem die
etwa erforderlichen Mittel bewilligt sind, vorgenommen werde.
Die oberste Leitung der Reichsschuldenverwaltung steht dem Reichskanzler zu,
soweit dies mit der der Hauptverwaltung beigelegten Unabhängigkeit vereinbar ist.
Der Direktor darf nicht preußischer Minister oder Reichskanzler oder Staatssekretär
des Reichsschatzamts sein. Der Direktor und die übrigen Mitglieder der Haupt-
verwaltung haben zu Protokoll zu erklären, daß sie den von ihnen nach § 9 des
Gesetzes vom 24. Februar 1850 geleisteten Eid auch für die durch das Gesetz vom
19. Juni 1868 ihnen auferlegte Verwaltung als maßgebend anerkennen. Die Geschäfte,
welche in Preußen die Staatsschuldenkommission hat, werden im Reiche von einer
Reichsschuldenkommission wahrgenommen, welche aus drei Mitgliedern des Bundes-
raths, und zwar aus dem jedesmaligen Vorsitzenden des Ausschusses für das
Rechnungswesen und zwei Mitgliedern dieses Ausschusses, ferner aus drei Mit-
gliedern des Reichstages und aus dem Präsidenten des Rechnungshofes für das
Deutsche Reich besteht. Der Bundesrath wählt die Mitglieder von Session zu
Session, der Reichstag auf drei Jahre. Den Vorsitz führt der Vorsitzende des
Bundesrathsausschusses für das Rechnungswesen, d. h. ein von Preußen ernanntes
Mitglied, oder bei dessen Verhinderung ein anderes dem Bundesrath angehöriges
Mitglied der Kommission. Die Reichsschuldenkommission hat dem Bundesrathe und
dem Reichstage gegenüber dieselben Verpflichtungen, welche der preußischen Staats-
schuldenkommission gegenüber dem preußischen Landtage obliegen. Sie hat daher
u. A. alljährlich dem Bundesrath und dem Reichstage über ihre Thätigkeit Bericht
1 Gesetz vom 29. Januar 1879 (G.-S. 1879, S. 10).