Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

45. Rechtscharakter des Reichsheeres und der Kriegsmarine. 447 
artillerie, Pionieren und Genietruppen wenigstens zwei, bei der Reiterei und der 
reitenden Artillerie wenigstens drei Jahre. 
Ueber die Mobilmachung hatte die Bundesversammlung zu beschließen. Von 
deren Beschlusse hing es ab, ob nur einzelne Contingente und ob die Contingente 
ganz oder nur theilweise aufgeboten wurden. Spätestens vier Wochen nach der 
Aufforderung mußten die für Bundeszwecke aufgebotenen Truppen marsch= und 
schlagfertig zur Verfügung des Oberfeldherrn auf den bestimmten Sammelplätzen 
aufgestellt sein und gleichzeitig die Ersatzabtheilungen gebildet werden. Die zur 
Besetzung der Bundesfestungen bestimmten Truppen mußten binnen vierzehn Tagen 
marschfertig sein. 
Das Bundesheer unterstand dem Oberbefehle des Oberfeldherrn des 
Bundes, wenn die Bundesversammlung einen solchen bestellte, sonst ihrem 
Contingentsherrn. Der Oberfeldherr wurde in der engeren Versammlung des 
Bundes gewählt und in Eid und Pflicht des Bundes genommen. Von der Bundes- 
versammlung erhielt er seine Vollmachten und Instructionen; doch durfte er den 
Operationsplan nach seiner Ansicht entwerfen, ausführen oder abändern, wie es die 
Umstände forderten. Er war dem Bunde persönlich verantwortlich und konnte von 
diesem vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Während der Führung des Com- 
mandos hatte er folgende Befugnisse : 1) Er konnte über Einstellung der Feind- 
seligkeiten Uebereinkünfte abschließen, wenn dadurch große Vortheile zu erreichen 
waren oder Gefahr auf dem Verzuge haftete; einen förmlichen Waffenstillstand 
aber nur unter vorbehaltener Genehmigung des Bundes. 2) Die Ausstellung, Be- 
wegung und Verwendung der ihm anvertrauten Streitkräfte und die etwa nöthigen 
Detachirungen hingen ganz von seinem Ermessen ab, wobei er jedoch die festgesetzte 
Heereseintheilung nicht abändern durfte. 3) Er konnte zu dem als Reserve auf- 
zustellenden Armeecorps aus den einzelnen Contingenten Cavallerie= und Artillerie- 
massen beordern und die Befehlshaber derselben aus den Generalen des Bundes- 
heeres nach seinem Ermessen ernennen. 4) Er hatte das Recht, die einzelnen 
Contingente zu mustern, über die Bewegung und Verpflegung der Armee alle 
erforderlichen Bestimmungen zu treffen, Armeebefehle zu erlassen und Diejenigen, 
welche sich auszeichneten, ihrem Landesherrn zur Belohnung zu empfehlen. 
Die Befehlshaber der ungemischten Armeecorps wurden von ihrem Souverän 
ernannt und es wurden auch ihre Rechte und Instructionen, in Uebereinstimmung 
mit den Grundsätzen der Bundeskriegsverfassung, von diesen Souveränen bestimmt. 
Die Befehlshaber der gemischten Armeecorps wurden durch Vereinbarung der be- 
theiligten Staaten und wenn eine solche nicht erfolgen konnte, von der Bundes- 
versammlung aus den dazu gehörigen Truppen ernannt. Diese Befehlshaber 
konnten die Eintheilung der Armeecorps nicht ändern. Die Bestimmung über die 
Truppen, welche zu den vom Oberfeldherrn verfügten Entsendungen zu verwenden 
waren, hing in der Regel von ihnen ab; doch konnte in dringenden Fällen der 
Oberfeldherr auch hierüber direkt verfügen. Die Corpsbefehlshaber (Corps- 
commandanten) hatten das Recht der Musterung, der Anwendung von polizeilichen 
Mitteln zur Erhaltung der inneren Ordnung, sowie die Befugniß, sich ihren 
Generalstab zu bilden. Die Untersuchung und Aburtheilung von militärischen 
Vergehen war den betreffenden Militärgerichten vorbehalten. Beschwerden gegen 
den Oberfeldherrn wurden durch die Regierung des betreffenden Bundesstaates an 
die Bundesversammlung gebracht; auch konnte jeder Corpscommandant, wenn er sich 
in seinen persönlichen Rechten verletzt glaubte, eine unparteiische Untersuchung fordern 
und sich nöthigenfalls ein Kriegsgericht erbitten. 
Die Unterhaltungskosten des Heeres fielen auch im Falle der Mobil- 
machung zunächst den betreffenden Contingentsherren zur Last. Wenn aber im 
Laufe eines Krieges ein Bundesstaat ganz oder theilweise vom Feinde besetzt war, 
so sollten für die Dauer der Besetzung die Unterhaltungskosten seines Contingents 
ganz oder zum Theil als gemeinschaftliche Last vorschußweise getragen werden. 
  
1 Zachariä, II, S. 823. Zachariä, II, S. 826 f.
	        
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