8 47. Der Kaiser und das Heer. 465
8 47. Der Kaiser und das Heer.
1) „Alle Deutsche Truppen find verpflichtet, den Befehlen des Kaisers unbedingte
Folge zu leisten. Diese Verpflichtung ist in den Fahneneid aufzunehmen“ (Art. 64,
Abs. 1 der Reichsverfassung). „Die gesammte Landmacht des Reichs wird ein ein-
heitliches Heer bilden, welches in Krieg und Frieden unter dem Befehle des Kaisers
steht“ (Art. 63, Abs. 1 der Reichsverfassung). Der Kaiser ist beim Erlaß seiner
Befehle an die Gesetze und die Staatsverträge (Conventionen) gebunden. Er wird
auch politische und moralische Rücksichten nehmen. Die deutschen Truppen ihrer-
seits haben aber nicht zu prüfen, noch weniger darüber zu entscheiden, ob der Befehl
nach Form und Inhalt gerechtfertigt ist. Sie haben dem Befehle des Kaisers eben
„-unbedingte Folge zu leisten“. Es wird wegen Kriegsverraths mit dem
Tode bestraft (§ 58 des Militär-Strafgesetzbuchs vom 20. Juni 1872, R.-G.-Bl.
1872, S. 174), wer mit dem Vorsatze, einer feindlichen Macht Vorschub zu leisten
oder den deutschen oder verbündeten Truppen Nachtheil zuzufügen, einen Dienst-
befehl (auch des Kaisers) ganz oder theilweise unausgeführt läßt oder eigenmächtig
abändert. Der bloße Ungehorsam gegen einen Befehl in Dienstsachen wird nach
§* 92 des Militär-Strafgesetzbuchs mit Arrest und, wenn durch den Ungehorsam ein
erheblicher Nachtheil verursacht wird, mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu
zehn Jahren bestraft u. s. w. Strengere Strafen treten ein, wenn der Gehorsam
ausdrücklich oder wiederholt verweigert wird (§§ 93, 94 das.). Wird der Gehorsam
gegen einen vor dem Feinde ertheilten Befehl durch Wort oder That ausdrücklich
verweigert, so tritt als regelmäßige Strafe die Todesstrafe ein (§ 95 das.). Aehn-
liche Strafen find für die Vergehen und Verbrechen der Meuterei und des Aufruhrs
angedroht (§88 100 ff. das.). Auch die Aufforderung einer Person des Soldaten-
standes zur Verweigerung des Ungehorsams gegenüber militärischen (also auch
kaiserlichen) Befehlen ist strafbar (§ 99 das., § 112 des Reichs-Strafgesetzbuchs).
Jedem Befehle des Kaisers ist unbedingter Gehorsam zu leisten, mag er sich
auf die unmittelbare militärische Action beziehen oder nicht. Befehle, zu grüßen,
nicht zu grüßen, Trauer anzulegen, bei einem Kasernenbau als Maurer, Poliere
mitzubuauen, Brücken zu sprengen u. s. w., find gleichfalls unbedingt und unverzüglich
zu befolgen. Die kaiserlichen Befehle find verbindlich ohne jedwede Gegenzeichnung.
Durch die Gegenzeichnung werden sie aber selbstredend nicht ungültig. Es steht
also im Ermessen des Kaisers, ob er Mobilmachungsordres oder andere Armee-
befehle mit oder ohne Gegenzeichnung erlassen will. Nothwendig ist die Gegen-
zeichnung selbst in den Fällen nicht, wo der Befehl mittelbar den Etat berührt;
insbesondere nicht bei Anstellung, Zurdispositionsstellung oder Entlassung von
Offizieren, Mobilmachungs--, Marschordres, Uebungsbefehlen, Schießvorschriften u. dergl.
Bei Personalien ist dies in der Cabinetsordre vom 18. Januar 18612 ausdrücklich
hervorgehoben, obwohl sie ganz gewiß den Etat berühren. Nur wo der Etat un-
mittelbar berührt wird, z. B. bei Bekleidungsvorschriften, Verpflegungsvorschriften,
beim Servis= und Besoldungswesen, bei Feststellung der Friedenspräsenz (Einstellung der
Rekruten, Entlassung der Reservisten) , ist die Gegenzeichnung nothwendig. Aber auch
ohne eine solche Gegenzeichnung wären solche Befehle von den Untergebenen zu befolgen.
Wenn Armeebefehle häufig an den Reichskanzler (in Marinesachen) oder an den
Kriegsminister gerichtet find, so geschieht dies der Bekanntmachung halber,
nicht der Gegenzeichnung halber. Die kaiserliche Gewalt ist auch in Ansehung der
Armeebefehle delegirbar. Sie wird in seinem Namen durch die militärischen Vor-
gesetzten ausgeübt. Je nach der Stellung des Befehlenden, also indirekt je nach
dem Kreise Derer, an welche der Befehl gerichtet wird, spricht man von Compagnie--,
Bataillons-, Regiments-, Brigade-, Corps-- und Armeebefehlen. Armeebefehl ist in
Ansicht von Georg Meyer, Verwaltungs- 3 Vgl. Allerh. Erlaß vom 21. Jan. 1897,
recht, 11, S. 85. Preub. Armeeverordnungsblatt 1897, S. 29.
2 Oben S. 464.
Arndt, Das Staatzrecht des Deutschen Reiches. 30