Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

552 Achtes Buch. Reichskriegswesen. 
Unterschied zwischen einem Soldaten und einem Beamten ist in den Motiven zum 
Militär-Strafgesetzbuch (Drucksachen des Reichstages 1872, Nr. 5, S. 118) dahin 
zutreffend angegeben, daß, während für Personen des Soldatenstandes als leitendes 
Princip bei Ausübung ihrer Dienstobliegenheiten der pünktliche und unbedingte 
Gehorsam gegen den Vorgesetzten anzusehen sei, die Beamten, auch die Militär- 
beamten im Frieden, das ihnen übertragene Amt nach den Grundsätzen ihrer 
Wissenschaft, nach den allgemeinen gesetzlichen und sog. allgemeinen Verwaltungs- 
vorschriften und Grundsätzen zu verwalten haben, — oft im anderen Sinne wie 
dies der unmittelbare Vorgesetzte fordert. Der Unterschied zeigt sich auch ferner 
darin, daß der Officier jederzeit und sofort, sogar ohne Rechtsanspruch auf Gehalt 
oder Pension, verabschiedet werden kann, ein Beamter nur in den gesetzlichen Fällen 
und stets nur auf Grund eines Disciplinarerkenntnisses oder wegen Invalidität 
entlassen werden kann. Gewisse Civilbeamte können zwar jederzeit zur Dispofition 
gestellt werden, sie haben aber in diesem Falle Rechtsanspruch auf einen bestimmten 
Theil des Gehalts. Daß die Gesetze die Officiere nicht zu den Beamten zählen, 
ergiebt u. A. § 38 des Reichs-Militärgesetzes, wo es heißt: „Zum aktiven Heere 
gehören: A. Die Militärpersonen des Friedensstandes, und zwar 1) die Offiziere, 
Aerzte und Militärbeamten des Friedensstandes“ 1. Da somit Officiere nicht 
„Beamte“ find, so gilt für sie nicht Art. 21, Abs. 1 der Reichsverfassung: „Beamte be- 
dürfen keines Urlaubs zum Eintritt in den Reichstag“. Die entgegengesetzte, in der 
Theorie vorherrschende Ansicht wäre auch höchst bedenklich für die militärische Disciplin. 
So wenig wie der Officier ist der Unterofficier ein Beamter im reichsgesetz- 
lichen Sinne. Officiere, auch Sanitätsofficiere (wie Unterofficiere) sind nicht dem 
Gesetze, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, vom 31. März 1873 
(R.-G.-Bl. 1873, S. 61) unterworfen; nur wenn fie eine Kasse oder sonstiges Ver- 
mögen des Reiches verwalten, finden auf sie die Vorschriften in den §§ 1834—148 
dieses Gesetzes (bei Kassendefecten) Anwendung. Die Officiere unterstehen dem Militär- 
Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 20. Juni 1872 (R.-G.-Bl. 1872, S. 174), 
der Militärstrafgerichtsordnung vom 1. Dezember 1898 (N.-G.-Bl. 1898, S. 1189), 
den vom Contingentsherrn erlassenen Vorschriften über die Ehrengerichte der 
Officiere? und den vom Contingentsherrn erlassenen Disciplinarverord- 
nungen“". Sie find nicht bloß diesen, sondern überhaupt allen vom Kriegsherrn 
erlassenen Bestimmungen unbedingt unterworfen, z. B. über Urlaubsertheilung 
(Verordnung vom 23. Oktober 1879 im Armeeverordnungsblatt), über Kleidung, 
militärisches Grüßen, Duelle, Anrufung der Ehrengerichte, Beschwerden, Beschaffung 
von Pferden u. s. w. Da Quelle des Rechts der Kriegsherr ist und, abgesehen von 
Vorschriften der Reichsgesetze, z. B. in § 31 des Militär-Strafgesetzbuchs, nur der 
Kriegsherr über Annahme oder Entlassung von Officieren entscheiden kann, so gilt 
das militärtkriegs-)gerichtliche Urtheil nur, wenn es vom Kriegsherrn mit der Be- 
stätigungsordre versehen ist (Militärstrafgerichtsordnung § 416). Die Sprüche der 
militärischen Ehrengerichte enden überhaupt nur mit einem Antrage an den 
Kriegsherrn; das ehrengerichtliche Urtheil wird im Dienstwege der Allerhöchsten 
Entscheidung unterbreitet (§ 58 der Allerhöchsten Verordnung über die Ehrengerichte 
vom 2. Mai 1874) . 
Die Entlassung der Officiere aus dem Dienst erfolgt nicht wie die der Be- 
amten aus dem Amt nur in den gesetzlich zugelassenen Fällen und Formen, sondern 
bestimmt das Gesetz vom 11. Juni 1890 (R.-G.= 
Bl. 1890, S. 78) ausdrücklich, daß die Gebühren 
der Beamten auch den Militärpersonen zukommen, 
  
gerichte der Officiere vom 2. Mai 1874, ab- 
gedruckt u. A. bei v. Helldeor Dienstvorschr., 
Bd. IV, Abth. IV, S. 228 ff. Sie gilt inhalt- 
worin ein indirectes Anerkenntniß dafür liegt, 
daß diefe nicht Beamte find. 
1 Siehe auch das Verzeichniß der Militär- 
personen im Anhang zu § 5 des Millitär- 
Strafgesetzbuchs vom 20. Juni 1872 (R.-G.-Bl. 
1872, S. 174) und Reichsbeamtengeseyz vom 
31. März 1873, 4 157. 
2 Oben S. 188. 
* Es gilt die Verordnung über die Ehren- 
  
lich im ganzen Reiche, in Bayern als bayerische 
Verordnung vom 31. August 1874; fiehe auch 
oben S. 461, Arndt, Verordnungsr., S. 137 f. 
Für die Marineofficiere gilt die Kaiferliche 
Verordnung vom 2. November 1875 (Marine- 
verordnungsbl. 1875, Beilage 6 u. Nr. 21). 
# Sie oben S. 461. 
Siehe auch weiter unten.
	        
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