54 Zweites Buch. Augehbrige und Gebiet des Deutschen Reiches.
Das uneheliche Kind gilt auch dann als Reichsangehdhriger, wenn es im Aus-
lande geboren ist. Das uneheliche Kind einer deutschen Mutter bleibt Staats-
angehöriger, auch wenn die Mutter aus dem Unterthanenverbande austritt oder
entlassen wird (preuß. Minist.-Bl. für die ges. innere Verwaltung 1850, S. 210),
falls die Entlassung des Kindes aus der Staatsangehörigkeit auf Antrag der
Mutter und mit Genehmigung des Vormundes oder der Vormundschaftsbehörde
nicht besonders in der Entlassungsurkunde ausgesprochen ist (s. auch Cahn, l. c.
S. 33). Verliert die Mutter eines unehelichen Kindes ihre Staatsangehörigkeit
durch Verheirathung mit einem nicht Staatsangehörigen, so verbleibt dem Kinde
die durch Geburt erlangte Staatsangehörigkeit, wenn es nicht in Gemäßbeit des
§& 13 Ziff. 4 des Gesetzes über die Erwerbung und den Verlust der Bundes= und
Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 legitimirt wird.
Ob eine Ehe gültig abgeschlossen ist, richtet sich nach dem Gesetze, welches an
dem Orte des Abschlusses der Ehe gilt. Das Bürgerliche Gesetzbuch enthält die
hierauf bezüglichen Vorschriften in den §§ 1303 bis 1322. Artikel 33 des baye-
rischen Heimathsgesetzes vom 16. April 1868 machte für alle Angehörigen der
rechtsrheinischen Landestheile die Gültigkeit der Eheschließung von der Einholung eines
(Distrikts-,Verehelichungszeugnisses, „daß gegen die beabsichtigte Eheschließung kein
im Gesetze begründetes Ehehinderniß bestehe“, abhängig. Diese Vorschrift war ge-
mäß dem für Bayern im Schlußprotocoll des Vertrages vom 23. November 1870
(B.-G.-Bl. 1871, S. 9) gemachten Vorbehalte als ein besonderes Recht in Kraft
geblieben und durch das Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die
Eheschließung vom 6. Februar 1875 nicht aufgehoben worden (vgl. Cahn,
S. 31 ff.). Das bayerische Gesetz vom 17. März 1892 hat den Artikel 33 des
bezeichneten Gesetzes vom 16. April 1868 dahin abgeändert, daß die von Bayern
ohne das Verehelichungszeugniß geschlossenen Ehen in bürgerlicher und öffentlich-
rechtlicher Hinsicht gültig find und nur in Bezug auf die Heimath für die Ehefrau
und die aus der Ehe entsprossenen oder durch dieselbe legitimirten Kinder nicht die
Wirkung einer gültigen Ehe haben (Rehm im Archiv für öffentliches Recht,
Bd. VIII, S. 47 ff.) .
Die Staatsangehörigkeit wird zweitens durch Legitimation erworben (§ 2
und 4 des Gesetzes vom 1. Juni 1870). Und zwar begründet jede nach den ge-
setzlichen Bestimmungen erfolgte Legitimation für das legitimirte uneheliche Kind
die Staatsangehörigkeit des Vaters. Die Frage, ob eine Legitimation mit recht-
licher Wirkung erfolgt ist, wird nach dem Gesetze zu beurtheilen sein, unter dessen
Herrschaft sie vor sich geht. Die Legitimation kann dadurch geschehen, daß sich der
Vater mit der Mutter verheirathet (Bürgerl. Gesetzb. § 1719). Die Legitimation
hat keine rückwirkende Kraft (Preuß. Allgem. Landrecht, Theil 2, Titel 2, § 598;
ebenso Bürgerl. Gesetzb. § 1719 — „erlangt — mit der Eheschließung die recht-
liche Stellung eines ehelichen Kindes“). Die Staatsangehörigkeit beginnt also erst
mit dem Abschlusse der Ehe.
Die Legitimation kann auch durch Ehelichkeitserklärung erfolgen.
§ 1723 des Bürgerl. Gesetzb. bestimmt hierüber: „Ein uneheliches Kind kann auf
Antrag seines Vaters durch eine Verfügung der Staatsgewalt für ehelich erklärt
werden. Die Ehelichkeitserklärung steht dem Bundesstaate zu, dem der Vater an-
gehört; ist der Vater ein Deutscher, der keinem Bundesstaate angehört, so steht sie
dem Reichskanzler zu?. Ueber die Ertheilung der einem Bundesstaate zustehenden
Ehelichkeitserklärung hat die Landesregierung zu bestimmen.“
Die Wirkungen der Ehelichkeitserklärung erstrecken sich auch auf die Abkömm-
linge des Kindes. Auch die Legitimation durch Ehelichkeitserklärung hat keine
rückwirkende Kraft, weder nach allgemeinem Rechte, noch in Beziehung auf die
Staatsangehörigkeit. Dies ergiebt sich aus dem Wortlaute des § 4 des Gesetzes
vom 1. Juni 1870; ebenso Cahn, S. 35.
1 Arndt, Commentar zur Reichsverfassung, S. 599) in der Fassung des Art. 40 des Ein-
S. 303. Z Z„ führungsgesetzes zum Bürgerl. Gesetzb. Z
:„ Fürdie Eheschließung von Reichsangehörigen 2 Der Grundsatz, daß die Reichsangehörigkeit
im Auslande gilt das Gesetz, betr. die Cheschließung nur Folge der Staatsan chöribet sein kann, ist
u. s. w. vom 4. Mai 1870 (B.-G.-Bl. 1870, also dem Bürgerlichen Gesetzbuch fremd.