Neuntes Buch.
Die Reichsbeamten und die Reichsbehörden.
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5 58. Allgemeines 1.
Es giebt Beamte der allerverschiedensten Art und mit den allerverschiedensten
Rechten und Pflichten, so daß es weder möglich noch nöthig ist, einen allgemein
zutreffenden Begriff zu bestimmen. Es giebt Privatbeamte und öffentliche Beamte,
Reichs-, Staats-, Communal-, Kirchen-, Militär-, Civilbeamte u. s. w. Es giebt
unmittelbare und mittelbare Reichs= und Staatsbeamte, Berufs= und Laienbeamte,
besoldete und unbesoldete, Beamte kraft staatlichen Zwangs (Schöffen, Ge-
schworene u. s. w.) und Beamte aus eigenem Willen. Es giebt Beamte, die dies
nur werden aus dem Willen des Anstellenden, und solche, die dies ohne und gegen
den Willen des Anstellenden werden 2. Es giebt Beamte, die dies so lange bleiben
müssen, wie es der staatliche Zwang befiehlt (Schöffen, Geschworene, gewisse Selbst-
verwaltungsbeamte), und solche, welche unter Verzicht auf weitere Ansprüche jederzeit
ihre Beamtenqualität aufgeben können.
Es können zwei Personen ganz dieselbe Thätigkeit, Verantwortung, Treu-
verpflichtung haben, und doch ist der Eine Beamter, der Andere nicht. Letzteres hängt
so zusammen, daß in Anstellungsverträgen oder in allgemeinen Anstellungs-
vorschriften bestimmt werden kann, es solle Jemand erst nach Ablauf einer gewissen
Zeit die Rechte eines Beamten erhalten, während die Beamtenpflichten ihm von
Anfang an auferlegt sind. Es giebt Beamte, die Hoheitsrechte des Staates aus-
üben, und solche, die ihrer Thätigkeit, Bildung und Besoldung nach gewöhnliche
Tage-(Lohn-)Arbeiter find, Lohnschreiber, Postillone, Billetdrucker, Grubensteiger,
Materialienausgeber, Rottenarbeiter u. s. w. Es giebt Personen, welche auf Grund
staatlicher Anstellung, einer hervorragenden Vorbildung und besonders hervor-
ragender Leistungen staatliche Funktionen an einer Staatsanstalt mit staatlichen
Wirkungen ausüben, welche Theil haben können an staatlichen Prüfungen, an der
Verwaltung staatlicher Institute (Kliniken, Bibliotheken, Seminarien) und doch
trotz alledem nicht Beamte find, nämlich die sogenannten Privatdocenten":. Vor
Allem (und dies ist das Kennzeichnende) giebt es Personen, die im Sinne des einen
oder des anderen Gesetzes Beamte sind, es aber nicht sind im Sinne anderer Ge-
setze. Die Eisenbahnpolizeibeamten (bei nicht dem Staate gehörigen Eisenbahnen)
sind Beamte in dem Sinne und nur in dem Sinne, daß sie als Polizeibeamte
1 Literatur: Außer den Lehrbüchern des Thudichum, Das Neichsbeamtenrecht, in Hirth's
Staatsrechts die Commentare zum Reichs= Annalen 1876, S.
beamtengesetz vom 31. März 1873 von Freiherr 2 Fall Maliz, % des Reichsgerichts vom
v. Zedlitz, Berlin 1874, Turnau, Pieper,. Marz 1896, Entsch. in Civils., Bd. XXXVII,
Perels und Spilling: s. ferner die preis-S. 241.
Ktronte Schrift von Rehm, Die rechtliche 2 Erk. des Reichsger. vom 24. März 1892,
katur des Staatsdienstes nach deutschem Staats- Entsch. in Civils., Bd. VI, S. 107 f.
recht, in Hirth's Annalen 1884, S. 565—686, 4 Arndt, in der Deutschen Juristenzeitung
und 1885, S. 65—212, ferner elkinet, Soystem 1899, S. 261.
der subjectiven öffentlichen Rechte, S . 168, und