Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

642 Neuntes Buch. Die Reichsbeamten und die Reichsbehörden. 
beamtengesetzes der Anstellungsurkunde constitutive Wirkung beigelegt. Wer 
keine solche Urkunde erhält, kann, wenn sie ihm zu Unrecht vorenthalten wird, 
bei der Auffichtsbehörde auf deren Aushändigung antragen. Vor Empfang der 
Urkunde hat er nicht die Rechte eines Beamten. Die Annahme einer still- 
schweigenden, aus concludenten Handlungen hergeleiteten Anstellung soll im Geltungs- 
bereiche des Kommunalbeamtengesetzes für die Zukunft ausgeschlossen sein. Fraglich 
ist, ob die Vorschrift in § 4 des Reichsbeamtengesetzes: „Jeder Reichsbeamte erhält 
bei seiner Anstellung eine Anstellungs-Urkunde“, ebenso aufzufassen ist. Diese ver- 
schieden beurtheilte Frage! ist dahin zu beantworten, daß sie lediglich eine Ver- 
pflichtung den Behörden auferlegt, aber keineswegs Jemandem, der Beamtendienste 
verrichtet hat und als Beamter behandelt ist und sich demgemäß als Beamter an- 
sehen mußte, seine Rechte aus diesem Beamtenverhältuiß entreißen wollte. Eine 
solche, oft sehr harte Vorschrift, wie fie vielleicht das preußische Kommunalbeamtengesetz 
enthält, hätte doch in viel klarerer Weise zum Ausdrucke gebracht werden müssen. 
Die Judicatur hat mit Recht die Frage überwiegend in gleicher Weise beantwortet, 
was u. A. die Erkenntnisse des Reichsgerichts vom 24. März 1882, 17. September 
und 22. Oktober 1891, Entscheid. in Civilsachen, Bd. VI, S. 107, Bd. XXVIII, 
S. 80 und 89 ergeben. Aus § 4 folgt, daß das Reich Dem, der Beamter fein 
oder werden soll, die Anstellungsurkunde nicht vorenthalten darf, und daß der In- 
haber einer solchen Urkunde unweigerlich die Rechte des Reichsbeamten hat, und 
zwar, wenn nicht das Gegentheil in der Urkunde verbis expressis gesagt wird, 
eines lebenslänglich angestellten Beamten. 
Eine allgemeine Antwort läßt sich auf die Frage, wann das Beamtenverhältniß 
beginnt, nicht ertheilen, nicht einmal nach dem Reichsbeamtengesetz. Der Anspruch 
des Beamten auf Gewährung des mit dem Amte verbundenen Diensteinkommens 
beginnt nach § 4, Abs. 2 nicht mit dem Tage der Vereidigung noch mit dem der 
Ausstellung oder Zufertigung der Anstellungsurkunde, sondern in Ermangelung 
besonderer Festsetzungen mit dem Beginn des Amtsantritts". Daher hat, wenn nicht 
das Gegentheil vereinbart ist, der Beamte die Kosten der Reise zum Antritte des 
ersten Amtes selbst zu tragen . In den Genuß später bewilligter Zulagen tritt 
der Beamte, mag er von der Bewilligung Kenntniß haben oder nicht, mit dem 
Tage, an welchem die Bewilligung ausgesprochen, verfügt, nicht erst mit dem Tage, 
an dem sie ihm zugestellt ist. Stirbt der Beamte vor der Bewilligung, so haben 
seine Erben keinen Rechtsanspruch auf die Zulage, wohl aber einen Billigkeits- 
anspruch", wenn die Bewilligung vor dem Tode planmäßig erfolgen konnte oder 
sogar erfolgen mußte. 
Wann der Widerstand gegen eine Person beginnt, Widerstand gegen die Staats- 
gewalt zu werden, wann ein Vergehen beginnt, Vergehen im Amte zu sein, ob vom 
Tage der Ausstellung oder Zufertigung der Anstellungsurkunde oder schon früher, 
sind Fragen, die in das Strafrecht gehören und generell überhaupt nicht beant- 
wortet werden können. Der Regel nach besteht die Beamteneigenschaft in diesem 
Sinne vom Zeitpunkte der Zufertigung der Anstellungsurkunde. Aber wenn der 
Empfänger einer Anstellungsurkunde diese gar nicht oder nicht mehr haben will, 
wenn er nicht Beamter werden oder nicht länger oder überhaupt nicht im Dienste 
des Staates stehen will, so wird man ihm die Beamtenqualität z. B. nicht als 
erschwerendes Moment bei Delicten anrechnen können. Man kann vielleicht sagen: 
die Pflichten eines Beamten sind begründet von dem Zeitpunkte an, wo der Beamte 
sein Amt als Beamter auszuüben beginnt, wo er Beamter sein will, worin auch 
immer diese Ausübung bezw. Willensbethätigung liegen mag. Die Rechte eines 
Beamten (die Pflichten des Staates) find begründet nach dem preußischen 
Kommunalbeamtengesetz erst von Zufertigung der Anstellungsurkunde, nach Reichs- 
  
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