# 13. Erwerb der Staats- und Reichsangehörigkeit. 59
urkunde beziehungsweise Aufnahmeurkunde, sofern nicht ein entgegenstehender
Vorbehalt in der Bestallung ausgedrückt wird.“
Unter Staatsdienst ist hier der Dienst eines deutschen Bundesstaates zu ver-
stehen, nicht der des Deutschen Reiches, wohl aber von Elsaß-Lothringen u. s. w.
Die Bestallung bedingt die schriftliche Form. Schon nach dem gewöhnlichen
Sprachgebrauch redet man nicht von einer Bestallung und ertheilt keine Bestallung,
wenn Jemand nur auf eine begrenzte Zeit oder nur auf kurze Zeit widerruflich
angestellt werden soll. Andererseits begründet die Bestallung als Beamter, wenn
fie sich als solche giebt, den Erwerb des Indigenats, und zwar für immer, auch
wenn die Beamteneigenschaft später wegen Kündigung oder zwangsweiser Amts-
entlassung in Wegfall kommen sollte. Die Bestallung ist insoweit ebenso wie
die Aufnahme-= oder die Naturalisationsurkunde ein formaler Act. Auch der
Dienst als Officier, Fähnrich, Feldwebel u. s. w. sind Staatsdienst im Sinne des
§ 9 (vgl. Cahn, S. 92), und zwar gleichviel, ob es sich um eine Anstellung beim
Präsenz= oder bei dem Beurlaubtenstande handelt.
Mittelbarer Staatsdienst ist der Dienst bei Collegien, Corporationen und
Gemeinden, welche als Behörden organisch in die Verfassung des Staates eingreifen,
z. B. in den Dienst einer staatlich überwachten Landschaft, einer Landwirthschafts-
kammer, einer (Invaliditäts-) Versicherungsanstalt u. s. w. Voraussetzung ist jedoch,
daß die Bestallung dieser Beamten von der Staatsregierung oder von der
Central= oder höheren Verwaltungsbehörde eines Bundesstaates vollzogen oder be-
stätigt ist. Die nur vom Stadtoberhaupte vollzogene oder bestätigte Bestallung zum
Stadtschreiber, Nachtwächter u. s. w., die nicht von einer höheren Staatsbehörde
ausdrücklich bestätigte Bestallung als Beamter eines landständischen Creditinstitutes
oder einer Landwirthschaftskammer! hat auf die Staatsangehörigkeit keinen Einfluß.
Unter Kirche versteht man zwar im Allgemeinen und nach preußischem
Staatsrecht eine Landeskirche (v. Seydel in Hirth's Annalen 1876, S. 144,
Anm. 7, Zorn, Staatsrecht, I, § 16, S. 355, Anm. 2, v. Rönne, Arndt,
Anm. 1 zu Art. 13 preuß. Verf.-Urk. u. A.), indeß gelten im Sinne des §5 9
auch Cultusbeamte bei den vom Staate nur anerkannten Religionsgesellschaften,
vorausgesetzt, daß sie eine diesem Paragraphen entsprechende Bestallung haben, als
„in den Kirchendienst aufgenommen“ (vgl. Cahn, S. 93, 94).
Wird ein Angehöriger eines deutschen Bundesstaates im Reichsdienst an-
gestellt, so behält er seine Staatsangehörigkeit, auch wenn er seinen Wohnsitz
wechselt. Wird ein Ausländer im Reichsdienst angestellt, so erwirbt er außer in
den Schutzgebieten dadurch allein noch nicht die Reichsangehörigkeit, da das Gesetz
vom 1. Juni 1870 eine Reichsangehörigkeit ohne Staatsangehörigkeit noch nicht
kannte. Hat er indeß seinen Wohnsitz in einem Bundesstaate, so erlangt er dadurch ipso
jure (§ 9, Abs. 2) dessen Staatsangehörigkeit. Hat er seinen dienstlichen Wohnsitz
im Auslande, so kann er, wenn er ein Diensteinkommen aus der Reichskasse be-
zieht, von welchem Bundesstaate er will, die Verleihung der Naturalisationsurkunde
verlangen (Gesetz, betr. die Naturalisation von Ausländern u. s. w. vom 20. De-
cember 1875, R.-G.-Bl. 1875, S. 324).
Dienst in der kaiserlichen Marine gilt als Reichsdienst. Wahlconfuln, die ihr
Amt nur als unbesoldetes Ehrenamt ausüben, fallen nicht unter diese Vorschrift.
Als Reichsdienst in diesem Sinne gilt dagegen der Dienst der Landesbeamten in
den Schutzgebieten. In diesen giebt es eine Reichsangehörigkeit ohne Staats-
angehörigkeit. Die Bestallung als Beamter, wenn sie vom Kaiser, dem Reichs-
kanzler oder einer höheren Verwaltungsbehörde erfolgt oder bestätigt wird, verleiht
also in diesen Gebieten ohne Weiteres die Reichsangehörigkeit (vgl. § 6 des Ge-
setzes, betr. die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete vom 17. April 1886,
Fassung R.-G.-Bl. 1888, S. 75) ohne Landesangehörigkeit; ebenso Cahn, S. 103 f.
Weder die Aufnahme-, noch die Naturalisationsurkunde haben rückwirkende
Kraft. Ihre Wirksamkeit beginnt nicht mit der Ausfertigung, sondern mit ihrer
1 oder eine Versicherungsanstalt. Ueber den Beariff „Staatsbeamter“ rgl. Entsch. d. Ober-
verwaltungsgerichts, Bd. XX, S. 38 ff. und Bd. XXIV, S. 69 ff.