§ 60. Der Reichskanzler. 677
Sache von selbst machen, indem man die betreffenden preußischen Staatsminister
nimmt, also z. B. für die auswärtigen Angelegenheiten und für das Kriegswesen;
aber für andere Gebiete ist es wohl möglich, daß irgend welcher andere hohe Be-
amte als Bundesbeamter für die Zwecke des Bundes angestellt wird, der die Ver-
waltung zu führen und, soweit Erlasse ergehen, diese zu contrafigniren hat und
dadurch gegenüber dem Reichstag und dem Bundesrath die Verantwortlichkeit über-
nimmt ...“ Der Abgeordnete v. Thielaut beantragte die Ablehnung, da das
Amendement v. Bennigsen nichts weiter als eine „Elidirung des Bundes-
rathes“ bedeute. Auch der Präsident der Bundes-Kommissarien Graf v. Bis-
marck sprach sich alsbald gegen dieses Amendement aus, bei dessen Annahme es
für die preußische Regierung nothwendig sein würde, „ihren Einfluß und ihre
Stellung in dem Bundesrath dadurch zu schwächen, daß fie denselben nicht in ein-
heitlicher, sondern in collegialischer Form ausübte“". Der Abgeordnete
Twesten hob u. A. hervor: „Nach der Bundesverfassung wird der Kanzler zu-
gleich ein ausführender Beamter der Krone Preußen, d. h. des
Bundespräsidiums, und Vorsitzender des Bundesraths sein. Ich
denke ihn mir wie eine Art preußischen Minister für die deutschen Angelegenheiten,
welcher als solcher zugleich das Präsidium des Bundesrathes führt. Die übrigen
Verwaltungszweige werden ganz unabhängig von dem Bundesrath besonderen Vor-
ständen zur Verwaltung übergeben werden können. Wenn ich annehme, daß der
preußische Minister der auswärtigen Angelegenheiten auch die Funktionen des
Bundes-Ministeriums für die auswärtigen Angelegenheiten bekleidet, da das Bundes-
präsidium völkerrechtlich den Bund vertritt, denke ich, daß ebenso der preußische
Kriegsminister zugleich der Chef des Kriegswesens im Bunde ist. — Ich halte es
aber darum doch keineswegs für nothwendig, daß diese preußischen Minister zugleich
Mitglieder des Bundesraths wären. Und ferner könnte es kaum einem Bedenken
unterliegen, in der Verfassung auszusprechen, daß neben dem Kanzler auch die
übrigen Chefs der wesentlichen Verwaltungszweige, welche dem Bundespräsidium
anheimfallen, für verantwortlich erklärt werden. — Daß überhaupt Verwaltungs-
chefs vorhanden sein müssen, kann keinem Zweifel unterliegen.“ — Nachdem Graf
v. Bismarck noch bemerkt hatte, daß der Antrag v. Bennigsen in sehr naher
Verwandtschaft und fast Identität mit dem abgelehnten Antrage eines „uni-
tarischen Bundes-Ministerii“ und mit einem solchen Bundes-Finanzminister
z. B. die sächfischen und hessischen Finanzminister mediatifirt und zu Unterbeamten
des Bundes-Finanzministers gemacht würden, wurde zwar der Antrag v. Bennigsen
angenommen, indeß wurde der Art. 12 in der Fassung mit dem eventuell bereits
angenommenen Beisatze v. Bennigsen mit 125 gegen 125 bezw. 127 gegen 126
geieen abgelehnts. Der Antrag Ausfeld wurde ohne Discussion gleichfalls
abgelehnt.
Bei Berathung des Art. 16 des Entwurfs wurde durch den Grafen Bethusy-=
Huc beantragt, ihm (als Art. 15) folgende Fassung zu geben": „Der Vorsitz im
Bundesrath und die Leitung der Geschäfte steht dem Bundeskanzler zu, welcher
vom Präsidium zu ernennen ist. Derselbe kann sich durch jedes andere Mitglied
des Bundesraths vermöge schriftlicher Vollmacht vertreten lassen.“ Der Abgeordnete
v. Bennigsens beantragte, hinter „Leitung der Geschäfte“ einzufügen: „des
Bundesraths“, und Lasker“, „im Bundesrathe"“. Es beantragten ferner v. Ben-
nigsen, am Schlusse des Art. 15 in der Fassung des Grafen Bethufy-Huc
beizufügen 7: „Das Präsidium ernennt ferner die Vorstände der einzelnen Ver-
waltungszweige, welche zu seiner Competenz gehören,“ und Laskers: „Dem
Bundespräsidium steht es zu, für einzelne Zweige der Verwaltung besondere Kom-
missarien zu ernennen, welche nach Maßgabe des erhaltenen Auftrags den Bundes-
kanzler vertreten.“ Graf v. Bismarck bekämpfte die Anträge v. Bennigsen und
1 Sten. Ber. S. 376. * Drucks. Nr. 48, Bezold, I, S. 725.
2 Sten. Ber. S. 377. * Drucks. Nr. 43, Bezold, I, S. 725.
2 Sten. Ber. S. 376. 7 Sten. Ber. S. 383.
4 Drucks. Nr. 51, Bezold, I, S. 725. Sten. Ber. S. 384.