Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

748 Elftes Buch. Besitzungen des Deutschen Reiches. 
stimmte Obliegenheiten übertragen find, so folgt daraus noch nicht die Pflicht des 
Kaisers zur Ernennung eines Statthalters; vielmehr nur, daß der Kaiser selbst 
diese Obliegenheiten wahrzunehmen oder durch einen Anderen, soweit nicht Gesetze 
entgegenstehen, wahrnehmen zu lassen habe 7. 
Auf den Statthalter, so schreibt § 2 ferner vor, gehen zugleich die durch Ge- 
setze und Verordnungen dem Reichskanzler in elsaß-lothringischen Landesangelegen- 
heiten überwiesenen Befugnisse und Obliegenheiten, sowie die durch § 10 des Ge- 
setzes, betreffend die Einrichtung und Verwaltung, vom 30. Dezember 1871 (Ges.-Bl. 
f. Elsaß-Lothr. 1872, S. 49) dem Oberpräsidenten übertragenen außerordentlichen 
Gewalten über. Diese Befugnisse und Obliegenheiten hat der Statthalter, sobald 
und solange er als solcher bestellt ist, in ihrem vollen Umfange kraft Gesetzes. 
Die Anordnungen und Verfügungen, welche der Statthalter kraft des ihm nach 
8 1 ertheilten Auftrages trifft — also als Ausüber der landesherrlichen Gewalt —, 
bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Staatssekretärs, welcher dadurch 
die Verantwortlichkeit übernimmt. Er, der Statthalter, ist für diese in Ausübung 
der landesherrlichen Gewalt vollzogenen Anordnungen und Verfügungen dem 
Reichstage nicht verantwortlich. Verantwortlich ist er hierfür nur dem Kaiser. 
Solange ein Statthalter nicht bestellt ist, übt die in § 2 des Gesetzes be- 
zeichneten Obliegenheiten der Staatssekretär aus. „In den in § 2 bezeichneten 
Angelegenheiten hat der Staatssekretär die Rechte und die Verantwortlichkeit eines 
Stellvertreters des Statthalters in dem Umfange, wie ein dem Reichskanzler nach 
Maßgabe des Gesetzes, betreffend die Stellvertretung des Reichskanzlers, vom 
17. März 1878 (R.-G.-Bl. 1878, S. 7)7 substituirter Stellvertreter sie hat. Dem 
sürhbalne ist vorbehalten, jede in diesen Bereich fallende Amtshandlung vor- 
zunehmen.“ 
Soweit der Statthalter nicht an Stelle und als Vertreter des Kaisers, sondern 
in Ausübung der ihm nach § 2 zustehenden Befugnisse thätig ist, liegt ihm die 
gleiche Verantwortlichkeit ob wie dem Reichskanzler. Er ist insoweit also, z. B. 
für die Gegenzeichnung kaiserlicher Anordnungen in elsaß-lothringischen Landes- 
angelegenheiten, dem Reichstage verantwortlich. Zweifellos ist in Theorie und 
Praxis, daß Reichsgesetze in elsaß-lothringischen Angelegenheiten vom Reichskanzler 
gegenzuzeichnen sind. Dagegen ist es streitig, ob auch ein solches Gesetz, wenn es 
als elsaß-lothringisches ergeht, vom Reichskanzler oder vom Statthalter gegen- 
zuzeichnen ist 5. 
Da in Frankreich die Stellvertretung auch in der Gegenzeichnung zuläsfig er- 
schien, die im Allgemeinen im Reiche und z. B. in Preußen nicht üblich und nicht 
statthaft ist", so steht nichts im Wege, daß für den Staatssekretär der Unterstaats- 
sekretär zeichnet. 
Gemäß § 9 des Gesetzes vom 4. Juli 1879 wurde ein Staatsrath ein- 
gesetzt, welcher berufen ist zur Begutachtung: 1) der Entwürfe zu Gesetzen, 2) der 
zur Ausführung von Gesetzen zu erlassenden allgemeinen Verordnungen, 3) anderer 
Angelegenheiten, welche ihm vom Statthalter überwiesen werden, und welchem endlich 
durch die Landesgesetzgebung noch andere, auch beschließende Funktionen übertragen 
werden können. Der Staatsrath besteht — § 10 — unter dem Vorsitze des 
Statthalters aus: 1) dem Staatssekretär, 2) dem Unterstaatssekretär, 3) dem Präfi- 
denten des Oberlandesgerichts und dem ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei 
diesem Gerichte, 4) acht bis zwölf Mitgliedern, welche der Kaiser ernennt. Von den 
unter 4) bezeichneten Mitgliedern werden drei auf den Vorschlag des Landesaus- 
schusses ernannt, die übrigen beruft der Kaiser aus Allerhöchstem Vertrauen. Die 
Ernennung erfolgt auf drei Jahre. Die Geschäftsordnung wird vom Kaiser fest- 
gestellt. 
Das Ministerium für Elsaß-Lothringen zerfällt in Abtheilungen (§ 5). An 
der Spitze der Abtheilungen stehen Unterstaatssekretäre. Das Nähere über die 
  
  
1 S. auch Allerhöchsten Erlaß vom 29. Juni m S. hierüber weiter unten. 
1885 (Ges.-Bl. f. Elsaß-Lothringen 1885, S. 63). 4 S. oben S. 683; f. auch Block, Dict. 
1 Oben S. 683 ff. de I'/Adm. Franç. s. m. sous-sécretaire.
	        
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