764 Elftes Buch. Besitzungen des Deutschen Reiches.
kanzler zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte und an Stelle des
Konsulargerichts das nach Maßgabe der Bestimmungen über dasselbe zusammen-
gesetzte Gericht des Schutzgebietes tritt. Dagegen ist dem Kaiser die Bestimmung
des Zeitpunkts des Inkrafttretens anheimgegeben (§ 2). Ferner kann der Kaiser
bestimmen, daß in den Schutzgebieten noch andere Personen wie die im Konsular-
gerichtsbezirk bezeichneten der Gerichtsbarkeit unterliegen, daß ferner das Grund-
und Bergwerkseigenthum abweichend von dem allgemeinen Recht geregelt werden
„dürfen 1, daß in Materien, welche nicht Gegenstand des Strafgesetzbuchs für das
Deutsche Reich find, Gefängniß bis zu einem Jahre, Haft, Geldstrafe und Einziehung
einzelner Gegenstände angedroht werden, daß ferner Abweichungen von den Regeln
der Civil- und Strafprozeßordnung stattfinden dürfen (§ 3).
Kraft Reichsgesetzes findet das Gesetz, betr. die Eheschließung und die Beurkundung
des Personenstandes von Reichsangehörigen im Auslande, vom 4. Mai 1870 (B.-G.-Bl.
1870, S. 599) selbst und in der Fassung der Art. 40 f. des Einführungsgesetzes zum
Bürgerlichen Gesetzbuch mit der Maßgabe Anwendung, daß es auch auf andere als
Reichsangehörige ausgedehnt werden kann (§ 4). Der Kaiser kann Eingeborene in
Beziehung auf das Recht zur Führung der Reichsflagge den Reichsangehörigen
gleichstellen (§ 5). Die Bildung von Kolonialgesellschaften mit dem Recht einer
juristischen Person ist dahin erleichtert, daß diese Rechte schon auf Grund eines
vom Reichskanzler genehmigten Gesellschaftsvertrages durch den Bundesrath über-
tragen werden können (8§ 8, 9)". Endlich ist in § 11 dem Reichskanzler die Straf-
verordnungsbefugniß in polizeilichen und sonstigen, die Verwaltung, d. h. nicht die
Gesetzgebung oder die Justiz betreffenden Gegenständen übertragen worden.
Das Gesetz über die Schutzgebiete ist namentlich mit Bezug auf das Bürgerliche
Gesetzbuch geändert, das geänderte Gesetz aber noch nicht publicirt worden.
Endlich ist noch zu erwähnen, daß unter einem Interessengebiet kein
staatsrechtlicher, sondern ein völkerrechtlicher Begriff zu verstehen ist, auch nicht das
jus excludendi alios, sondern nur alterum, nämlich nur den, der das Interessen-
gebiet mit bestimmt hat. Das Interessengebiet kann sich zum Schutzgebiet um-
gestalten. Die Umgestaltung darf von Dem, der das Interessengebiet zugestand,
nicht angefochten werden. In letzterem Umstande ist die völkerrechtliche Bedeutung
der Festsetzung von Interessengebieten zu finden.
Bundesratbs die Fähigkeit beigelegt werden,
unter ihrem Namen Rechte, insbesonbere Eigen-
thum und andere dingliche Rechte an Grundstücken
1 Demgemäß ist bestimmt, daß anstatt der
Bergbaufreiheit Schurfrechte und Schurfzwang
eingeführt werden.
2 Weitere Erleichterungen bringt das Gesetz,
bet reffend Abänderung und Ergänzung des Ge-
setzes über die Nechtsperhältuse er deutschen
Schutzgebiete, vom 2. Juli 1899 (R.-G.-Bl. 1899,
S. 365), wonach § 8 des Schutzgebietsgesetzes
folgende Fassung erhalten hat: „Deutschen
Kolonialgesellschaften, welche die Kolonisation der
deutschen Schutzgebiete, insbesondere den Erwerb
und die Verwerthung von Grundbesitz, den Be-
trieb von Land= oder Plantagenwirthschaft, den
Betrieb von Bergbau, gewerblichen Unterneh-
mungen und Handelsgeschäften in denselben zum
ausschließlichen Gegenstand ihres Unternehmens
und ihren Sitz entweder im Reichsgebiet oder in
einem Schutzgebiet oder in einem Konsular-
grichtsbezirte haben oder denen durch Kaiserliche
chutzbriefe die Ausübung von Hoheitsrechten in
den deutschen Schutzgebieten übertragen ist, kann
auf Grund eines vom Reichskanzler genehmigten
Gesellschaftsvertrags (Statuts) durch Beschluß des
zu erwerben, Verbindlichkeiten einzugehen, vor
Gericht zu klagen und verklagt u werden. In
solchem Falle haftet den Gläubigern für alle
Verbindlichkeiten der Kolonialgesellschaft nur das
Vermögen derselben. — Das Gleiche gilt für
deutsche Gesellschaften, welche den Betrieb eines
Unternehmens der im Abf. bazeichneten Art in
dem Hinterland eines deutschen Schutzgebiets oder
in sonstigen dem Schutzgebiete benachbarten Be-
zirken zum Gegenstand und ihren Sitz entweder
im Reichsgebiet oder in einem Schutzgebiet oder
in einem Konsulargerichtsbezirke haben. — Der
Beschluß des Bundesraths und im Auszuge der
Gesellschaftsvertrag find durch den Reichsanzeiger
zu veröffentlichen.“ Gesellschaften, die solcher-
gestalt die juristische Perfönlichkeit erlangt haben,
unterstehen nach Art. II des Gesetzes vom 2. Juli
1899 der Aufsicht des Reichskanzlers. Die ein-
elnen Befugnisse derfelben sind in den Gesell-
schaftspertro aufzunehmen.