Depeschen. 27
mächte war es zuzuschreiben, wenn die Provokationen, wel-
chen Österreich-Ungarn in dieser Zeit von seiten Serbiens
ausgesetzt war, nicht zum Konflikte führten. Die Zusiche-
rung künftigen Wohlverhaltens, die die serbische Regie-
rung damals gegeben hat, hat sie nicht eingehalten. Unter
den Augen, zum mindesten unter stillschweigender Duldung
des amtlichen Serbiens hat die großserbische Propaganda
inzwischen fortgesetzt an Ausdehnung und Intensität zu-
genommen; auf ihr Konto ist das jüngste Verbrechen zu
setzen, dessen Fäden nach Belgrad führen. Es hat sich in
unzweideutiger Weise kundgetan, daß es weder mit der
Würde noch mit der Selbsterhaltung der Osterreichisch-Un-
garischen Monarchie vereinbar sein würde, dem Treiben
jenseits der Grenze noch länger tatenlos zuzusehen, durch
das die Sicherheit und die Integrität ihrer Gebiete dauernd
bedroht wird. Bei dieser Sachlage können das Vorgehen
sowie die Forderungen der österreichisch-ungarischen Re-
gierung nur als gerechtfertigt angesehen werden. Trotzdem
schließt die Haltung, die die öffentliche Meinung sowohl
als auch die Regierung in Serbien in letzter Zeit einge-
nommen hat, die Befürchtung nicht aus, daß die serbische
Regierung es ablehnen wird, diesen Forderungen zu ent-
sprechen, und daß sie sich zu einer provokatorischen Haltung
Osterreich-= Ungarn gegenüber hinreißen läßt. Es würde
der österreichisch-ungarischen Regierung, will sie nicht auf
ihre Stellung als Großmacht endgültig Verzicht leisten,
nichts anderes übrigbleiben, als ihre Forderungen bei der
serbischen Regierung durch einen starken Druck und nö-
tigenfalls unter der Ergreifung militärischer Maßnahmen
durchzusetzen, wobei ihr die Wahl der Mittel überlassen
bleiben muß.
Ew. usw. beehre ich mich zu ersuchen, sich in vorstehen-
dem Sinne (dem derzeitigen Vertreter des Herrn Viviani)
(Sir Edward Grey) (Herrn Sasonow) gegenüber auszu-
sprechen und dabei insbesondere der Anschauung nachdrück-