Der Tert des deutschen Weißbuches. 47
gung mit Serbien. An dieser Richtung der serbischen Politik
haben die wiederholten und feierlichen Erklärungen, in
denen Serbien Osterreich-Ungarn gegenüber die Abkehr von
dieser Politik und die Pflege guter nachbarlicher Beziehungen
gelobt hat, nicht das geringste geändert. Zum dritten Male
im Laufe der letzten sechs Jahre führt Serbien auf diese
Weise Europa an den Rand eines Weltkriegs. Es konnte
dies nur tun, weil es sich bei seinen Bestrebungen durch
Rußland gestützt glaubte.
Die russische Politik war bald nach den durch die türkische
Revolution herbeigeführten Ereignissen des Jahres 1908
daran gegangen, einen gegen den Bestand der Türkei ge-
richteten Bund der Balkanstaaten unter seinem Patronat
zu begründen. Dieser Balkanbund, dem es im Jahre 1911
gelang, die Türkei siegreich aus dem größten Teil ihrer
curopäischen Besitzungen zu verdrängen, brach über der
Frage der Beuteverteilung in sich zusammen. Die russische
Politik ließ sich durch diesen Mißerfolg nicht abschrecken.
In der Idee der russischen Staatsmänner sollte ein neuer
Balkanbund unter russischem Patronat entstehen, dessen
Spitze sich nicht mehr gegen die aus dem Balkan verdrängte
Türkei, sondern gegen den Bestand der Osterreichisch-Unga-
rischen Monarchie richtete. Die Idee war, daß Serbien gegen
die auf Kosten der Donaumonarchie gehende Einverleibung
Bosniens und der Herzegowina die im letzten Balkankrieg
erworbenen Teile Mazedoniens an Bulgarien abtreten
sollte. Zu diesem Behufe sollte Bulgarien durch Isolierung
mürbe gemacht, Rumänien durch eine mit Hilfe Frankreichs
unternommene Propaganda an Rußland gekettet, Serbien
auf Bosnien und die Herzegowina gewiesen werden.
Unter diesen Umständen mußte Osterreich sich sagen, daß
es weder mit der Würde noch mit der Selbsterhaltung der
Monarchie vereinbar wäre, dem Treiben jenseits der Grenze
noch länger tatenlos zuzusehen. Die k. und k. Regierung
benachrichtigte uns von dieser Auffassung und erbat unsere