Der Text des deutschen Weißbuches. 57
Am 31. Juli richtete der Zar an Seine Majestät den
Kaiser folgendes Telegramm:
„Ich danke Dir von Herzen für Deine Vermittelung,
die eine Hoffnung aufleuchten läßt, daß doch noch alles
friedlich enden könnte. Es ist technisch unmöglich, un-
sere militärischen Vorbereitungen einzustellen, die durch
Osterreichs Mobilisierung notwendig geworden sind.
Wir sind weit davon entfernt, einen Krieg zu wünschen.
Solange wie die Verhandlungen mit Österreich über
Serbien andauern, werden meine Truppen keine her-
ausfordernde Aktion unternehmen. Ich gebe Dir mein
feierliches Wort darauf. Ich vertraue mit aller Kraft
auf Gottes Gnade und hoffe auf den Erfolg Deiner Ver-
mittlung in Wien für die Wohlfahrt unserer Länder
und den Frieden Europas.
Dein Dir herzlich ergebener
Nikolaus.“
Mit diesem Telegramm des Zaren krenzte sich folgendes
ebenfalls am 31. Juli um 2 Uhr nachm. abgesandtes Tele-
gramm Seiner Majestät des Kaisers:
„Auf Deinen Appell an Meine Freundschaft und Deine
Bitte um Meine Hilfe habe Ich eine Vermittelungs-
aktion zwischen Deiner und der österreichisch-ungarischen
Regierung aufsgenommen. Während diese Aktion im
Gange war, sind Deine Truppen gegen das mir ver-
bündete Osterreich-Ungarn mobilisiert worden, wodurch,
wie Ich Dir schon mitgeteilt habe, Meine Vermittelung
beinahe illusorisch gemacht worden ist. Trotzdem habe
Ich sie fortgesetzt. Nunmehr erhalte Ich zuverlässige
Nachrichten über ernste Kriegsvorbereitungen auch an
Meiner östlichen Grenze. Die Verantwortung für die
Sicherheit Meines Reiches zwingt Mich zu defensiven
Gegenmaßregeln. Ich bin mit Meinen Bemühungen
um die Erhaltung des Weltfriedens bis an die äußerste