Der Text des deutschen Weißbuches. 59
des Reichs gefährdende Mobilmachung die mühsame Ver-
mittelungsarbeit der europäischen Staatskanzleien kurz
vor dem Erfolge zerschlagen. Die Mobilisierungsmaß-
regeln, über deren Ernst der russischen Regierung von
Anfang an keine Zweifel gelassen wurden, in Verbindung
mit ihrer fortgesetzten Ableugnung zeigen klar, daß Ruß-
land den Krieg wollte.
Der Kaiserliche Botschafter in Petersburg hat die ihm
aufgetragene Mitteilung an Herrn Sasonow am 31. Juli
um 12 Uhr nachts gemacht.
Eine Antwort der russischen Regierung hierauf hat uns
nie erreicht.
Zwei Stunden nach Ablauf der in dieser Mitteilung ge-
stellten Frist hat der Zar an Seine Majestät den Kaiser
telegraphiert:
„Ich habe Dein Telegramm erhalten, ich verstehe, daß
Du gezwungen bist, mobil zu machen, aber ich möchte
von Dir dieselbe Garantie haben, die ich Dir gegeben
habe, nämlich, daß diese Maßnahmen nicht Krieg be-
deuten, und daß wir fortfahren werden, zu verhandeln,
zum Heile unserer beiden Länder und des allgemeinen
Friedens, der unseren Herzen so teuer ist. Unserer lang-
bewährten Freundschaft muß es mit Gottes Hilfe ge-
lingen, Blutvergießen zu verhindern. Dringend erwarte
ich voll Vertrauen Deine Antwort.“"
Hierauf hat Seine Majestät der Kaiser geantwortet:
„Ich danke Dir für Dein Telegramm, Ich habe Dei-
ner Regierung gestern den Weg angegeben, durch den
allein noch der Krieg vermieden werden kann. Obwohl
Ich um eine Antwort für heute mittag ersucht hatte,
hat Mich bis jetzt noch kein Telegramm Meines Bot-
schafters mit einer Antwort Deiner Regierung erreicht.
Ich bin daher gezwungen worden, Meine Armee zu mo-
bilisieren. Eine sofortige klare und unmißverständliche
Antwort Deiner Regierung ist der einzige Weg, um end-