Thronrebe bei Eröffnung des deutschen Reichstags. 63
An die Völker und Stämme des Deutschen Reichs ergeht
Mein Ruf, mit gesamter Kraft, in brüderlichem Zusammen-
stehen mit unseren Bundesgenossen, zu verteidigen, was
wir in friedlicher Arbeit geschaffen haben. Nach dem Bei-
spiel unserer Väter fest und getreu, ernst und ritterlich,
demütig vor Gott und kampfesfroh vor dem Feind, so ver-
trauen wir der ewigen Allmacht, die unsere Abwehr stärken
und zu gutem Ende lenken wolle!
Auf Sie, geehrte Herren, blickt heute, um seine Fürsten
und Führer geschart, das ganze deutsche Volk. Fassen Sie
Ihre Entschlüsse einmütig und schnell — das ist Mein
inniger Wunsch.
Der Kaiser fügte hinzu:
Sie haben gelesen, meine Herren, was Ich an Mein
Volk vom Balkon des Schlosses aus gesagt habe. Hier
wiederhole Ich:
Ich kenne keine Parteien mehr, Ich kenne
nur Deutsche.
(Langanhaltendes brausendes Bravo.)
Zum Zeichen dessen, daß Sie fest entschlossen sind, ohne
Parteiunterschiede, ohne Stammesunterschiede, ohne
Konfessionsunterschiede durchzuhalten mit Mir durch
dick und dünn, durch Not und Tod, fordere Ich die Vor-
stände der Parteien auf, vorzutreten und Mir das in
die Hand zu geloben.
Die Parteiführer kamen dieser Aufforderung nach unter stür-
mischem, andauerndem Bravo. 1
Darauf trat der Reichskanzler vor und erklärte den Reichstag
für eröffnet.
4. Rede des Reichskanzlers Dr. v. Vethmann Hollweg
in der Sitzung des Dentschen Reichstags vom 4. Angust
Ein gewaltiges Schicksal bricht über Europa herein.
Seit wir uns das Deutsche Reich und Ansehen in der Welt
erkämpften, haben wir 44 Jahre lang in Frieden gelebt und