Der Reutralitätsbruch Velgiens. 91
ston mit, daß er zurzeit auf eine Unterstützung oder eine
Intervention Hollands wenig Hoffnung setze. Er teilte
mir zugleich mit, daß seine Regierung beabsichtige, die
englische Verpflegungsbasis von der französischen Küste
nach Antwerpen zu verlegen, sobald die Nordsee von allen
deutschen Schiffen gesäubert sei.
Bei allen unseren Unterhaltungen setzte mich der Oberst
regelmäßig von den vertraulichen Nachrichten in Kenntnis,
die er über die militärischen Verhältnisse bei unseren öst—
lichen Nachbarn erhalten hatte. Zur selben Zeit betonte
er, daß für Belgien eine gebieterische Notwendigkeit vor—
liege, sich dauernd darüber unterrichtet zu halten, was in
dem uns benachbarten Rheinland vor sich gehe. Ich mußte
ihm gestehen, daß bei uns der ausländische Uberwachungs-
dienst in Friedenszeiten nicht unmittelbar dem General-
stab unterstehe, wir hätten keine Militärattachés bei unseren
Gesandtschaften. Ich hütete mich indessen sehr, ihm ein-
zugestehen, daß ich nicht wußte, ob der Spionagedienst,
der durch unsere Reglements vorgeschrieben ist, in Ordnung
war oder nicht. Aber ich halte es für meine Pflicht, hier
auf diese Lage aufmerksam zu machen, die uns in einen
Zustand offenbarer Unterlegenheit gegenüber unseren Nach-
barn und eventuellen Feinden versetzt.
Generalmajor, Chef des Generalstabs,
Unterschrift.
Notiz.
Als ich den General Gierson während der Manöver
1906 traf, versicherte er mir, daß die Reorganisation der
englischen Armee den Erfolg herbeiführe, daß nicht nur
die Landung von 150000 Mann gesichert sei, sondern das
hierdurch auch die Aktion des Heeres in einer kürzeren
Zeit gewährleistet werde, als im vorstehenden angenom-
men wurde.
Abgeschlossen September 1906.
Unterschrift.