Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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Sanders) so viel wie officium, Dienst, womit 
jemand beauftragt ist, die zu einer jemand über- 
wiesenen, von ihm übernommenen Stellung ge- 
hörigen Obliegenheiten und Verrichtungen, einen 
jemand überwiesenen öffentlichen Wirkungzskreis. 
Lange Zeit bedeutete Amt (in „Amtmann“, 
schwäbisch und schweizerisch Ammann) Hand- 
habung der Rechtspflege und Verwaltung der 
landesherrlichen Einkünfte in einer Gegend, später 
auch andere Verwaltungsbehörden. In Nieder- 
deutschland wurde Amt für Handwerksinnung ge- 
braucht. Auch eine besondere Art Bauerngüter 
bezeichnete man mit dem Ausdruck Amter (Meier- 
ämter). Für die wichtigste katholisch-kirchliche 
Amtsverrichtung, die Messe, hat sich das Wort 
Amt (z. B. gesungenes Amt, Hochamt) erhalten. — 
Man kann in Bezug auf die berufsmäßige Tätig- 
keit zur Erreichung allgemeiner und öffentlicher 
Zwecke, welche Tätigkeit wir eben Amt nennen, 
ein subjektives und objektives Momentunterscheiden. 
Subjektiv ist Amt die Verpflichtung zur berufs- 
mäßigen Tätigkeit für öffentliche Zwecke infolge 
diesbezüglicher Anstellung; objektiv ist Amt der 
bestimmte Kreis der Tätigkeiten, zu welchen der 
Angestellte verpflichtet ist. So wie Kirchenamt 
(offcium ecclesiasticum) das Recht und die 
Pflicht eines Geistlichen bezeichnet, die Kirchen- 
gewalt in einem bestimmten Verhältnis und Um- 
fang und vermöge einer dazu erteilten festen 
Anstellung auszuüben, so ist Staatsamt die Be- 
rechtigung und Verpflichtung zur Führung staat- 
licher Geschäfte, und der durch das öffentliche 
Recht begrenzte Kreis von staatlichen Geschäften 
ist Staatsamt im objektiven Sinn. Staatsämter, 
Behörden sind Einrichtungen für Ausübung eines 
abgegrenzten Kreises staatlicher Funktionen, staat- 
licher Befugnisse, Organe für die Verwirklichung 
der einzelnen Regierungsrechte. Ihnen zufolge 
werden menschliche Kräfte für die Zwecke und 
Aufgaben des staatlichen Gemeinwesens in be- 
stimmter, räumlicher und geschäftlicher Abgren- 
zung in dauernder Weise in Dienst genommen. 
Der Wirkungskreis muß übertragen sein, 
die Berufung zu einem Amt muß durch andere 
Organe des Staats erfolgen. Daher stehen zu 
Amtern, Behörden jene staatlichen Organe im 
Gegensatz, welche ihre Befugnisse als eigenes und 
selbständiges Recht besitzen (Monarch, Volks- 
vertretung). Der Wirkungskreis muß ein ab- 
gegrenzter sein. Der Geschäftskreis der öffent- 
lichen Amter ist gegenwärtig regelmäßig, nach 
oben wie nach unten, d. h. dem Staatshaupt wie 
den Staatsbürgern gegenüber, durch die Gesetz- 
gebung fixiert. Die Amtsbefugnisse müssen nicht 
notwendig den Charakter von Herrschafts- 
rechten haben. Es gibt nämlich auch Amter, 
welchen die Verwaltung staatlicher Anstalten oder 
Vermögensrechte übertragen ist. 
Die Lehre von den Ämtern gehört nach der einen 
Seite ins Verfassungs-, nach der andern Seite ins 
Verwaltungsrecht. Dorthin gehören die leitenden 
Amt, Beamte, 
  
Staatsdiener. 186 
Gedanken der Organisation und der dem Be- 
amtentum zukommenden Rechtsstellung, Minister- 
verantwortlichkeit usw., hierher die Darstellung des 
Organismus und das gegenseitige Verhalten der 
Behörden, auch deren materielle Kompetenz zur 
Vornahme bestimmter Verwaltungsakte sowiederen 
Formen. 
Die Entwicklung des Gemeinwesens und damit 
der Funktionen desselben nahm in Deutschland 
und Frankreich einen entgegengesetzten Verlauf. 
Während es in Frankreich den Königen gelang, 
der großen Vasallen Herr zu werden und die ganze 
Staatsverwaltung von einem Punkte aus zu 
leiten, vereinigten in Deutschland die großen 
Vasallen immer mehr Hoheitsrechte in ihrer Hand. 
Etwa seit der Goldenen Bulle (1366) liegt der 
Schwerpunkt des politischen Lebens nicht mehr in 
dem Reich, sondern in den einzelnen Territorien. 
Der deutsche Staat der Gegenwart hat sich somit 
nicht aus dem alten deutschen Reich, sondern aus 
dessen Territorialstaaten entwickelt. Demgemäß 
knüpft die Geschichte der Amter weniger an die 
Institutionen des Reichs als an die der landes- 
herrlichen Territorien an. Das Mittelalter 
kannte keine Landesregierung in unserem Sinn. 
Die Hauptsache war Aufrechterhaltung des Rechts 
im Innern wie nach außen. Aufgabe des Fürsten 
und seiner nächsten Ratgeber war es, die obersten 
Beamten zu ernennen, für den Schutz der Länder 
gegen auswärtige Feinde, für die Sicherung des 
Landfriedens im Innern zu sorgen und die Mittel 
aufzubringen, welche zur Erfüllung dieser Auf- 
gaben und zur Erhaltung des Hofstaates not- 
wendig waren. Demgemäß war auch die Amter- 
organisation einfach: die Umgebung des Landes- 
herrn, die aus Vasallen und Ministerialen bestand, 
bildete das Gericht wie den Rat des Fürsten. 
Ständige Beamte gab es nur wenige. Seit dem 
13. Jahrh. kommt in weltlichen Fürstentümern 
ein Hofmeister vor, der den Fürsten vertritt und 
die Verwaltung leitet. Die Ausfertigung der 
Schreiben geschah in der Kanzlei. Aber erst im 
15. Jahrh., mit dem größeren Schriftenwechsel, 
erhielt der Kanzler eine größere Bedeutung. Die 
Landesherren nahmen wohl einzelne Personen aus 
dem Adel in ihre Dienste, um sie im Rat oder zu 
besondern Aufträgen zu benutzen. Diese Räte „von 
Laus aus“ lebten aber für gewöhnlich auf ihren 
ütern und waren nur verpflichtet, dem Ruf des 
Herrn zum Dienst Folge zu leisten. Den Gegen- 
satz dazu bildeten die „wesentlichen“ Räte, welche 
beständig am Hof lebten. Lange Zeit stand der 
Ausbildung fester Amter der Umstand der aus- 
schließlichen Naturaleinkünfte entgegen. Erst als 
der Landesherr nicht mehr von einer Burg zur 
andern zog, sondern eine dauernde Residenz nahm, 
konnte sich eine festere Organisation bilden. Hof- 
meister, Kämmerer, Kanzler, Räte begleiteten lange 
den Fürsten auf seinen Reisen. Die niedere Ge- 
richtsbarkeit über abhängige Leute hatten die in 
den Territorien angesessenen Grundherren. Die
	        
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