Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

189 Amt, Beamte, 
mündliche Verfahren verdrängte, eine Vermehrung 
der Beamten und der Kanzleigeschäfte zur Folge. 
In Brandenburg bzw. im preußischen Staat 
führte die seit Mitte des 17. Jahrh. infolge seiner 
energischen Politik eintretende Umgestaltung des 
Heeres und der Finanzverwaltung auch zu einer 
Neuorganisation der Amter. Anfangs waren die 
Heere von landesherrlichen Kriegskommissarien 
begleitet, und in den Kreisen gab es gewählte 
ständische Land= oder Kreiskommissarien. Mit 
Errichtung eines stehenden Heeres nun und der 
Einführung der Kontribution und Akzise als 
ständiger Steuer wurde auch das Amt der Kom- 
missarien ein ständiges. Es war für Militär- 
und Finanzverwaltungszwecke bestimmt. Auf dem 
Land bedienten sich dafür die Landesherren der 
(ständischen) Land= und Kreiskommissarien, die 
immer mehr von ihnen abhängig wurden. Ein 
weiterer Schritt war die unter Friedrich Wilhelm I. 
erfolgte Vereinigung der Kommissariate mit den 
Domänenämtern (Amtskammern). Das waren die 
sog. Kriegs= und Domänenkammern. Diese Ande- 
rung ist deshalb bemerkenswert, weil in den meisten 
übrigen deutschen Territorien der ständisch-staat- 
liche Dualismus des Finanzwesens und seiner 
Behörden bis auf die neuere Zeit bestehen blieb. 
Dem Vorgehen gegenüber den Provinzialämtern 
entsprach auch die Zentralisation in der Spitze. 
Im Jahr 1722 vereinigte nämlich Friedrich Wil- 
helm I. das Generalkriegskommissariat, welches 
die aus ursprünglich von den Ständen bewilligten 
Steuern fließenden Einkünfte (Grundsteuer, Kon- 
tribution, Akzise) verwaltete, und die General- 
domänenkommission, welche die eigenen Einkünfte 
des Landesherrn aus Domänen und Regalien unter 
sich hatte, zu einer einheitlichen kollegialischen Be- 
hörde, dem sog. Generaldirektorium. Kabinetts- 
ministerien und Justizministerien besorgten die 
auswärtigen bzw. die Justizangelegenheiten. So 
war die gesamte Zivilverwaltung in drei Haupt- 
teile zerlegt. Dazu kommt, daß die Regierungen 
nach Begründung der Kriegs= und Domänen- 
kammern im wesentlichen auf die Ausübung der 
Gerichtsbarkeit beschränkt und so in Preußen schon 
im 18. Jahrh. in gewissem Maß Justiz= und 
Verwaltungsämter getrennt waren. Daß im All- 
gemeinen Landrecht (TI II, Tit. 10) die Beamten 
zuerst als „Staatsdiener“ aufgeführt werden, muß 
unten noch Erwähnung finden. 
2. Amter in der Gegenwart. Die fran- 
zösische Revolution bildet auch in der Geschichte 
der Amter einen bemerkenswerten Abschnitt. Der 
Amterorganismus des 18. Jahrh. ist gekennzeichnet 
a) durch seinen Parallelismus von landesherr- 
lichen und landständischen Behörden, b) durch die 
Ungetrenntheit von Justizund Verwaltung, c) durch 
die Zuteilung der obersten Staatsgeschäfte weniger 
mit Rücksicht auf die sachliche Zusammengehörig- 
keit als mit Rücksicht auf die Landesteile (sog. 
Provinzialsystem). Seit der französischen 
Revolution aber gelangte das Staatsprinzip zum 
  
Staatsdiener. 190 
vollständigen Sieg. Die planmäßige Einteilung 
des Landes, die systematische Behördenorganisation 
wurde auch in Deutschland nachgeahmt. Den Aus- 
gangspunkt bildet die Stein-Hardenbergsche Ver- 
waltungsreform (24. Nov. 1808). Die oberste Lei- 
tung ging vom Geheimen Rat und dem General- 
direktorium auf bureaumäßig organisierte Mini- 
sterien über. Justiz und Verwaltung wurden noch 
mehr getrennt, an Stelle der historisch überkom- 
menen trat die Einteilung in Provinzen, Regie- 
rungsbezirke, Kreise. In Süddeutschland 
standen die Rheinbundstaaten vor der Aufgabe, 
ihre neuen Erwerbungen mit den bisherigen Be- 
sitzungen zu verschmelzen. Da diente ganz beson- 
ders die französische Organisation vom 18. Febr. 
1800 zum Vorbild, so für Württemberg 1806, 
Bayern 1806, Baden 1809 in den unteren In- 
stanzen die Einteilung des Landes in möglichst 
gleiche Administrativbezirke ohne Rücksicht auf die 
bisher bestandenen Einrichtungen, in den Zentral- 
stellen die Beseitigung des Provinzial= und Über- 
gang zum Realsystem, d. h. zur systematischen 
Behördenorganisation. Während nach ersterem 
der Wirkungskreis aller Amter, auch der obersten, 
immer nur eine einzelne Provinz umfaßte, wur- 
den nun den höheren Stellen die Geschäfte nur 
nach der materialen Verschiedenheit zugeteilt. Auch 
waren diese Ministerien nicht mehr kollegialisch 
wie der alte Geheime Rat, sondern bureaumäßig 
organisiert. 
Im Lauf des 19. Jahrh., besonders seit 1848 
(Bayern erst 1861), wurden auch in den unteren 
Amtern Justiz und Verwaltung getrennt und die in 
den unteren Instanzen noch vorhandene ständische 
Amtierung, Patrimonialgerichtsbarkeit und Patri- 
monialpolizei, beseitigt. Trotz dieser schärferen 
Konzentration der Staatsämter macht sich im 
19. Jahrh. in steigendem Maß in Bezug auf Ein- 
richtung von Amtern eine zweite Bewegung geltend. 
Wie für erstere Frankreich, so war für die Selbst- 
verwaltung England ein lehrreiches Vorbild. 
UÜbrigens trägt schon die preußische Städteordnung 
von 1808 Spuren der neu auflebenden Kommunal= 
selbständigkeit an sich. Zur Zeit des absoluten Re- 
gimes im 17. und 18. Jahrh. hatten die einzelnen 
Gesellschaftsgruppen und Unterorganismen (puis- 
sances intermediaires) teils mit teils ohne Ver- 
schulden die größte Einschränkung erfahren. Nun 
macht sich eine gegenteilige Bewegung bemerkbar. 
Sie beginnt mit den Städten, dehnt sich von da 
aufs Land aus und erfaßt schließlich auch die grö- 
fieren Abteilungen des Staates (Kreisordnung von 
1872). Diese Kommunalverbände höherer und 
niederer Ordnung sind das Hauptanwendungs- 
feld der Selbstverwaltung. Abgesehen von der 
Herstellung einer besondern Verwaltungsgerichts- 
barkeit, bestand ein großer Teil der neueren preu- 
Whischen Verwaltungsreform 1) in der Reorganisa- 
tion von Kommunalverbänden höherer Ordnung 
(Kreise und Provinzen erhielten eine entsprechende 
Vertretung, eine Stellung ähnlich den Städten,
	        
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