Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

193 Amt, Beamte, 
dern, wo Verwaltungsgerichtsbarkeit 
besteht, gibt es Verwaltungsämter im engeren 
Sinn, denen die Erledigung der reinen Verwal- 
tungssachen oder Beschlußsachen, und Verwal- 
tungsgerichte, denen die Entscheidung jener Ver- 
waltungssachen zusteht, bei denen Verletzung 
individueller Rechte behauptet wird (sog. Ver- 
waltungsstreitsachen). — In Rücksicht auf das 
Verhältnis der Amter zum Staatsoberhaupt ist 
Nachstehendes zu erwähnen: Nicht nur die Ver- 
leihung der Staatsämter, sondern auch die Or- 
ganisation der Behörden nach ihrem ständigen 
Zusammenhang, ihrem Unterordnungsverhältnis, 
ihrem Geschäftsgang gehört zu den Privilegien 
der Krone (Amtshoheit). Diese Rechte sind jedoch 
beschränkt durch die zu Geldaufwendungen not- 
wendige Zustimmung der Volksvertretungen. Es 
können also neue Amter, mit denen ein Gehalt 
verbunden ist, nur auf Grund etatsmäßiger Be- 
willigung des Landtags, Reichstags u. dgl. er- 
richtet werden. Ferner ist der gerichtliche Prozeß 
nicht Geschäftsgang und daher kein Objekt des 
Verordnungsrechts. — Die Verwaltungsämter 
haben das Recht, die von ihnen ausgehenden An- 
ordnungen und Verfügungen nötigenfalls unter 
Anwendung von Zwang durchzusetzen. Zu diesem 
Zweck bedürfen sie eines Exekutivpersonals, 
dem die Zwangsvollstreckung der Verwaltungs- 
verfügungen obliegt. 
II. Beamte — Staatsbiener. 1. Ge- 
schichtliche Entwicklung des Staats- 
dienerverhältnisses. Während Amt den 
Inbegriff einer bestimmt abgegrenzten Staats- 
tätigkeit bezeichnet, sind Beamte die subjektiven 
Träger der Amtstätigkeit. Ihre Stellung hat 
demnach mit der jeweiligen Staatsauffassung 
Schritt gehalten und sich nach derselben gerichtet. 
In den Magistraturen des römischen Rechts er- 
scheinen die Beamten als Träger geschlossener 
Geschäftskreise, in denen eigentümliche Rechte des 
Staates verwaltet werden. Diese Auffassung ist 
noch den gotischen Reichen in Italien und Spanien 
geläufig. In den germanischen Reichen der Karo- 
linger (auch schon in Byzanz) gelten die Beamten 
als persönliche Beamte des Königs. Noch mehr 
waren das Lehnsrecht und das kanonische Recht der 
Auffassung von der rein persönlichen Substituie- 
rung und Unterordnung des oberen Beamten 
unter das Staatshaupt, des unteren Beamten unter 
die oberen günstig. Wie in andern Verhältnissen, 
war in jener Zeit auch in Bezug auf die Obrigkeit 
die Moral in viel größerem Umfang zur Rechts- 
pflicht verdichtet als heutzutage. Der sicherlich 
mehr moralische Begriff der Treue war im mittel- 
alterlichen Lehnsverband das oberste, entscheidende 
Prinzip. Ferner ist es eine sittliche Pflicht, Reich- 
tum und hervorragende Stellung gemeinnützig zu 
verwenden. Entsprechend der damaligen Natural- 
wirkschaft bestand Reichtum in großem Grundbesitz 
(bleibenden Grundrenten u. dgl.). Damit war aber 
regelmäßig die Pflicht, den Abhängigen Obrigkeit 
Staatslexikon. I. 3. Aufl. 
  
Staatsdiener. 194 
zusein, verbunden. Die damaligen Beamtendienste, 
Hoffahrt, Krieg und Administration, waren also 
durch ein für allemal für diesen Zweck ausge- 
schiedene Teile vaterländischen Bodens fundiert 
(Lehnswesen). Die Entwicklung eines von der 
Gesamtheit durch jährlich einzutreibende Beiträge 
(Steuern) besoldeten Berufsbeamtenstands gehört 
der neueren Zeit, besonders dem 18. und 19. Jahrh. 
an und ist in unserem Staatswesen zur Notwendig- 
keit geworden. Die Bildung des Berufsbeamten- 
tums steht im Zusammenhang mit dem Entstehen 
der selbständigen Staatsgewalt, in Deutschland 
mit der Entfaltung der Territorialhoheit im 
Gegensatz zu Kaiser und Reich. Den Fürsten des 
ausgehenden Mittelalters genügten die Dienste der 
Vasallen und Ministerialen nicht mehr. Über- 
griffe von der einen wie von der andern Seite, 
von oben wie von unten, brachten das Lehnswesen 
zu Fall. Auf der einen Seite entstand die Neigung 
zu absoluter Gewalt, auf der andern Seite oppo- 
nierten Vasallen den Fürsten, wie es diese dem 
König getan. Nicht am wenigsten trug der trau- 
rige Kampf von Kaiser und Papst zu dieser Locke- 
rung der Reichslehnsbande bei. Im Kampf gegen 
die Reichsgewalt einerseits, gegen ein mächtiges 
Vasallentum und die Landstände anderseits er- 
starkte die deutsche Landeshoheit durch Aufstellung 
eines relativ neuen Prinzips, das dem Lehnswesen 
gegenübertrat. Den Vasallen, denen das Recht 
zur Ausübung öffentlicher Funktionen nach Lehns- 
recht verliehen war, wurden Personen gegenüber- 
gestellt, die nur Diener des Landesherrn waren 
und nur seine Befehle auszuführen hatten. Diese 
fürstlichen Diener, die Räte, Amtleute, Vögte, 
standen nicht mehr in einem öffentlich-recht- 
lichen vasallischen, sondern in einem privatrecht- 
lichen Verhältnis zu dem Landesherrn, in welchem 
die gegenseitigen Rechte und Pflichten zunächst 
durch die Bestimmungen des Mietvertrags ge- 
regelt waren. Die Übergänge waren unmerklich. 
Bis ins 16. Jahrh. entstammten die Beamten 
größtenteils dem Adel. Erst in der zweiten Hälfte 
des 16. Jahrh. wurden römisch-rechtlich gebildete 
Juristen in größerer Zahl unter die Räte der 
Fürsten ausgenommen oder als Kanzler angestellt. 
Seit die mittelalterliche Gerichtsverfassung in 
Verfall geraten und die Rechtspflege von den Ge- 
nossengerichten auf die landesherrlichen Beam- 
ten übergegangen war, konnten die Amtleute und 
Vögte der Rechtskenntnis nicht entbehren. Infolge 
der veränderten Heeresverfassung wurde auch nicht 
mehr Kriegstüchtigkeit verlangt, sondern Besitz von 
gewissen praktischen und theoretischen Kenntnissen, 
also eine ganz andere berufsmäßige Vorbildung. 
Ferner vermehrte sich im 16. und 17. Jahrh. die 
Zahl der landesherrlichen Beamten infolge der 
Ausdehnung der staatlichen Tätigkeit und der 
Notwendigkeit, für die Bedürfnisse der Soldheere 
Sorge zu tragen. Dennoch schlossen sich die Be- 
amten noch lange nicht zu einem eigenen Berufs- 
stand zusammen. Mehrere Umstände verzögerten 
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