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dies. Bald hatten die Stände ein Mitwirkungs-
recht bei Besetzung der wichtigsten Landesämter,
bald war ein Teil derselben dem Adel vorbehalten
und dadurch ein allgemeines Beamtenberufsinteresse
erschwert. In größeren Territorien hatten die
einzelnen Landschaften die Zusicherung, daß in
der Provinz nur Einheimische angestellt werden
können. Auch hatten noch viele lokale Gewalten
ihr eigenes Beamtentum. Bei Ausübung der Justiz
besaßen die Gemeinden und Städte eine bedeutende
Mitwirkung; auch gesetzgeberische Rechte standen
den Kommunen zu. Erst nach und nach und durch
das Umsichgreifen des gelehrten Richtertums wurde
beides zur Staatssache. Je mehr die landesherr-
liche Gewalt die Macht der Stände brach (ins-
besondere nach dem Dreißigjährigen Krieg), je
mehr die Amter mit gelehrten Juristen besetzt
und dadurch die Adligen zurückgedrängt wurden,
um so mehr mußte die Ausbildung eines berufs-
mäßigen Beamtentums und eines eigenen Be-
amtenrechts gefördert werden. Je zahlreicher
und mächtiger das Beamtentum wurde, um so
mehr gewann es Standesbewußtsein und trachtete
danach, dem Fürsten gegenüber eine festere Position
zu gewinnen. Nunmehr wurde zwischen ministri
publici und Dienern des Fürsten unterschieden.
Ferner wurde auch die Frage ventiliert (J. H. Böh-
mer, 1716), ob der Fürst die Beamten willkürlich
entlassen könne, ob die Klausel ad bene placitum
bei Staatsdienstverträgen zulässig sei. Etwa um
die Mitte des 18. Jahrh. war die Ansicht, daß der
Beamte nicht willkürlich entlassen werden könne,
überwiegend. Sehr früh waren die Mitglieder des
Reichskammergerichts, erst später die Mitglieder
des Reichshofrats in dieser Hinsicht geschützt.
Auf die Bedeutung der preußischen Könige für
die Modernisierung des Amterorganismus wurde
schon hingewiesen; sie sind auch hier als energische
Förderer eines berufsmäßigen Beamtenstandes zu
erwähnen. Zuerst in Preußen bildete sich auf
großstaatlicher Grundlage ein modernes Staats-
dienerrecht aus. König Friedrich Wilhelm I. drang
wiederholt (1717, 1737) auf wissenschaftliche Vor-
bildung. Er suchte auch das alleinige Ernennungs-
recht aller Beamten in seine Hand zu bekommen.
Er sowohl wie König Friedrich II. beflissen sich
eines gerechten Verfahrens gegen die Beamten,
dieses Hauptmittel ihrer Macht, und einer sachlichen
unparteiischen Behandlung der Personalfragen.
Aus der Praxis der preußischen Regenten des
18. Jahrh. ist faltisch das heutige deutsche Be-
amtenrecht entstanden. Teil II, Titel 10 des
preußischen Allgemeinen Landrechts, das die Rechte
und Pflichten der „Staatsdiener“ enthält, hat
man mit Recht die erste Kodifikation des Be-
amtenrechts genannt.
Vollkommen gelang es dem Beamtentum freilich
erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrh., sich ein
Standesrecht zu schaffen, denn erst da wurde es
der das Staatsleben beherrschende Stand (s. d.
Art. Bureaukratie). Besonders gingen in Bezug
Amt, Beamte,
Staatsdiener. 196
auf Staatsbeamtengesetze, Dienstpragmatik die
süddeutschen Staaten der Rheinbundszeit voraus.
Erst jetzt werden die Sätze allgemein anerkannt,
daß die Beamten nicht bloß Gehilfen des Mon-
archen sind, sondern auch eine selbständige Stel-
lung haben, daß das Beamtenverhältnis ein
öffentlich-rechtliches zwischen dem Staat und dem
Beamten ist, daß dem Beamten ein Rechtsanspruch
auf den Gehalt zusteht, daß der Beamte nicht
willkürlich aus dem Staatsdienst entlassen werden
darf, daß dem Beamten, der eine bestimmte Reihe
von Jahren gedient hat, ein Anspruch auf Pension
zugestanden werden muß usw. Seit dem Erstarken
des parlamentarischen Prinzips in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrh. hat das Beamtentum die
sehr bevorzugte Stellung, die es vor 1848 inne-
hatte, nicht mehr im ganzen Umfang behaupten
können. Zwar erfuhr die disziplinäre Verantwort-
lichkeit eher eine Minderung, dafür wurde der
Rechtsschutz der Bürger gegen ÜUbergriffe der Staats-
diener gemehrt. Der privilegierte Gerichtsstand,
Erschwerung der strafgerichtlichen Verfolgung durch
Einholung der Genehmigung der vorgesetzten Be-
hörden, die Ehre der Steuerfreiheit gingen ver-
loren. Außerdem wäre noch die Einführung der
Schwurgerichte und der Verwaltungsgerichtsbar-
keit zu nennen.
Die Rechtsverhältnisse der Beamten sind ge-
regelt im Deutschen Reich durch das Gesetz vom
31. Mai 1873 und die Novelle vom 17. Mai 1907
(neue Fassung des ganzen Gesetzes vom 18. Mai
1907), in Württemberg durch das Gesetz vom
28. Juni 1876 und die Novelle vom 1. Aug. 1907
(neue Fassung vom gleichen Datum), in Baden
durch das Gesetz vom 24. Juli 1888. In Preußen
fand die letzte Umgestaltung des Beamtenrechts
durch das Gesetz vom 27. Mai 1907 statt. Im
übrigen ist die Materie geregelt durch die Gesetze
vom 27. März 1872, vom 31. März 1882, vom
20. März 1890 und vom 25. April 1896; auch
das Allgemeine Landrecht bildet teilweise noch die
Grundlage. Inhaltlich ist das preußische Be-
amtenrecht fast das gleiche wie das des Deutschen
Reichs. In Bayern liegt (1908) der Entwurf zu
einem Beamtengesetz vor; bisher waren die Rechts-
verhältnisse der pragmatischen Staatsdiener durch
das Staatsdienerdekret von 1818 (9. Beilage zur
Verfassungsurkunde), die der nichtpragmatischen
(statusmäßigen) Beamten und Bediensteten durch
eine Verordnung von 189/4 geregelt.
2. Juristische Natur und Arten des
heutigen Staatsdienstes. Sprachlich ist
Beamter eine Person, der die Verwaltung eines
Amtesanvertraut wordenist; genauer: eine Person,
welcher wenigstens die Verpflichtung auferlegt ist,
in dienstlicher Unterordnung unter ein Organ des
Staates bzw. des Kommunalverbands amtliche
Funktionen auszuführen. Diese weitere Fassung
des Begriffs Beamter rechtfertigt sich durch die
Erwägung, daß es Beamte gibt, welche jene Ver-
pflichtung übernehmen, denen aber die Vollmacht