Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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der Lex Cornelia de sicariis et veneficis von 
Sulla im Jahr 671 wurde wegen crimen sica- 
riorum bestraft, wer als Magistrat oder als Se- 
nator eine Verbindung stiftet, um die Verurteilung 
in einer Kriminalklage herbeizuführen, wer als 
Magistrat oder als ludex quaestionis in einer 
Kapitalsache sich mit Geld bestechen läßt oder 
durch falsches Zeugnis die Verurteilung in einer 
Kapitalsache bewirkt.— Befreiung von Gefangenen 
durch die Aufseher wird durch die Lex lulia ma- 
#hiestatis (708), vis und falsum des Beamten sind 
in den Leges de vi und der Lex Cornelia testa- 
mentaria zusammen mit den gemeinen Verbrechen 
mit Strafe bedroht (Digest. 48, 11 Cod. 9, 27 
de lege Lulia repet. Nov. 17 82 124; Dig. 
48, 13 ad leg. Iul. peculatus et de residuis; 
Dig. 48, 14 Cod.9, 26 de lege Lulia ambitus). 
— Das kanonische Recht behandelt nur die 
Standes= und Dienstvergehen der Geistlichen; der 
politische Staat mit seinen Beamten lag außer- 
halb seiner Kompetenz. Die Bestimmungen sind 
enthalten in Gratian. P. I, dist. 81—95; 
Deecretal. III 1—4 50 V14 24—31; Sext. 
III 1 V6; Clement. III 1 V6; Extrav. 
Comm. III 1. Die für die Geistlichen bestimmten 
Strafen sind: Verlust der bisher besessenen Pfründe 
ohne Aufhebung der Fähigkeit zur Erwerbung 
einer neuen Pfründe oder eines andern Kirchen- 
amts; Deposition oder Verlust des Amts und der 
Pfründe mit gänzlicher Unfähigkeit, je wieder ein 
Kirchenamt zu bekleiden; Degradation, der Ver- 
lust des Amts und Unfähigkeit zur Erwerbung 
eines andern Amts, verbunden mit Entkleidung 
aller geistlichen Privilegien und Behandlung des 
Schuldigen gleich einem Laien zum Zweck der 
Auslieferung desselben an die weltlichen Gerichte 
und zur Anwendung der verdienten weltlichen 
Strafe. — Die deutschen Volksrechte er- 
wähnen als Infidelität den Verrat von Geheim- 
nissen. Unde decernimus, ut qui in tali causa 
amodo detentus fuerit, tam qui submittit, 
qduam qui submittitur, animae suae incurrat 
periculum, et res eins infixyentur (Leges Lon- 
Sob., Katchis c. 5 8). Im übrigen bieten sie nur 
eine geringe Ausbeute. Die peinliche Gerichts- 
ordnung Karls V. (Const. crim. Carolina) des 
Jahrs 1532 erwähnt die Durchstecherei der Pro- 
kuratoren, das Entweichenlassen der Gefangenen 
und die Bestechung der Richter. Der Kammerge- 
richtsvisitationsabschied von 1713 verbot in § 46 
dem Richter, „einiges Geschenk oder Nutzen durch 
sich selbst oder die Seinigen“ anzunehmen. Die 
gemeinrechtliche Praxis dehnte diese Bestimmungen 
aus und griff, wo diese Ausdehnung unmöglich 
war, auf die Bestimmungen des römischen Rechts 
zurück. Die Entwicklung der Landeshoheit der 
Reichsstände führte zu Partikularstrafgesetzen. Im 
allgemeinen wurden alle Amtsverbrechen der öffent- 
lichen Diener unter den Amtsmißbrauch, die Ver- 
untreuung und die verletzte Richterpflicht rubriziert. 
Die Strafe der Dienst= oder Amtsvergehen war 
Amtsverbrechen und Amtsvergehen. 
  
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die Dienstentsetzung, der Verlust der von dem Be- 
straften bekleideten öffentlichen Amter sowie aller 
davon abhängenden Rechte und Vorzüge, namentlich 
seines Rangs und Titels, seiner Besoldungs= und 
Pensionsansprüche. Dieselbe kommt teils als selb- 
ständige Strafe teils als Nebenfolge anderer Straf- 
arten vor; ersteres lediglich bei Dienst= oder Amts- 
vergehen, und zwar entweder für sich allein oder 
zugleich noch neben andern Strafen; letzteres bei 
sog. gemeinen Verbrechen, deren sich ein öffentlicher 
Beamter schuldig macht; in diesem Fall ist die 
Dienstentsetzung für den Beamten noch ein weiterer, 
aus seinem Verhältnis zum Staat sich ergebender 
Zusatz zu den andern Strafen. Gemeines Straf- 
recht und Disziplinarstrafrecht sind nicht geschieden. 
— Detaillierte Strafbestimmungen enthält das 
preußische Landrecht. — Der Code Napo- 
léon schied die Strafandrohungen für die ge- 
ringeren Vergehen der Beamten gegen die ihnen 
obliegenden Berufspflichten aus dem Code pénal 
aus und vollzog damit die Scheidung zwischen den 
Handlungen der Beamten, welche strafrechtlich und 
welche nur disziplinär zu rügen sind. Diese Unter- 
scheidung zwischen dem Disziplinar= und dem ge- 
meinen Strafrecht war einer der hauptsächlichsten 
Streitpunkte in den langjährigen gesetzgeberischen 
Arbeiten, welche das preußische Strafgesetzbuch 
vom 14. April 1851 vorbereiteten. Der über Ver- 
brechen und Vergehen im Amt handelnde 28. Ab- 
schnitt dieses Strafgesetzbuchs ist dann mit geringen 
Modifikationen in das Strafgesetzbuch für das 
Deutsche Reich übernommen. — Der 28. Abschnitt 
des 2. Teils des deutschen Strafgesetz- 
buchs enthält nicht nur von Beamten verübbare 
Delikte, sondern auch Delikte von Personen, welche, 
ohne Beamte zu sein (Geschworene und Schöffen), 
zur Ausübung amtlicher Funktionen berufen wer- 
den; er enthält auch nicht alle Dienst= und Amts- 
vergehen, sondern nur diejenigen, für deren Rüge 
man die Disziplinargesetze und ihre besondern 
Strafarten nicht als zureichend erachtet hat. Die 
Ahndung der leichteren Vergehen der Beamten 
gegen ihre Berufspflichten ist den Disziplinar- 
gesetzen der Einzelstaaten überlassen. Hierdurch 
hat dieser Abschnitt des Strafgesetzbuchs den Cha- 
rakter der reinen Spezialisierung erhalten. 
Das öffentliche Amt ist öffentlichen Rechts, die 
Verletzung oder der Mißbrauch einer dem Beamten 
übertragenen öffentlichen Funktion ist wegen der 
darin liegenden Schädigung des Staats strafbar, 
ohne Rücksicht darauf, ob dadurch zugleich Privat- 
rechte verletzt werden oder nicht. Der Staat bedarf 
seiner Beamten als seiner Organe zur Verwirk- 
lichung der ihm im Interesse seiner Angehörigen 
obliegenden Aufgaben; er muß ihnen zum allge- 
meinen Besten weitgehende Amtsbefugnisse anver- 
trauen. Je weniger aber der Staat seine Beamten 
entbehren kann und je mehr diese durch die ihnen 
übertragene Amtsgewalt sowohl den Staat als seine 
Angehörigen schädigen können, um so notwendiger 
ist die strenge Beaufsichtigung und Bestrafung der
	        
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