Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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Handelsgerichte, die Schiedsmänner (nicht aber 
eschworene und Schöffen), die Wahlvorstände 
bei den öffentlichen Wahlen, die Postbeamten 
(nicht die Posthalter), die Lehrer der öffentlichen 
Volksschulen und höheren Unterrichtsanstalten, 
die verwaltenden Organe der Gemeinden, Kreise 
und Provinzen samt deren Anstalten. Was die 
Teilnahme mehrerer an einem Amtsvergehen 
betrifft, so können als Mittäter Nichtbeamte be- 
grifflich niemals strafbar werden, weil das Be- 
amtenverbrechen ein solches ist, welches lediglich 
von dem Täter vermöge seiner persönlichen Ver- 
hältnisse begangen werden kann. Anstifter und 
Gehilfen können Beamte und Nichtbeamte sein, 
sofern nicht das Strafgesetz selbst von den Voraus- 
setzungen einer strafbaren Teilnahme absieht. In 
diesen Fällen ist ein mitwirkender Beamter nur 
insoweit strafbar, als er selbst eine strafbare Amts- 
pflichtverletzung in irgend einer Beziehung begeht 
und in dieser Richtung strafbar wird; andernfalls 
begeht er, da die betreffenden Strafrechtsbestim- 
mungen nur den Urheber, nicht auch den Gehilfen 
binden, kein Vergehen. Soweit ein Amtsvergehen 
auch noch die Verletzung allgemein bestehender 
Pflichten in sich enthalten kann, ist dasselbe für 
Teilnehmer und Gehilfen möglich. Auf diese 
finden alsdann die gewöhnlichen Strafen Anwen- 
dung, die Teilnahme an dem Beamtenvergehen 
bildet nur einen Strafzumessungsgrund. — Wäh- 
rend wegen der im Ausland begangenen Ver- 
brechen und Vergehen, von wenigen Ausnahmen 
abgesehen (Hochverrat, Landesverrat, Münzver- 
brechen, Beleidigung gegen einen Bundesfürsten), 
keine Verfolgung stattfindet, kann nach dem deut- 
schen Strafgesetzbuch bestraft werden, wer als Be- 
amter des Deutschen Reichs oder eines Bundes- 
staats im Ausland (also auch in den Konsular- 
bezirken und in den Schutzgebieten) eine Handlung 
begangen hat, die nach den Gesetzen des Deut- 
schen Reichs (also nicht bloß nach dem Straf- 
gesetzbuch) als Verbrechen oder Vergehen im Amt 
anzusehen ist, gleichgültig, ob diese Handlung auch 
nach den Gesetzen des Begehungsorts als Ver- 
brechen oder Vergehen anzusehen und mit Strafe 
bedroht ist. Doch kann nur der Beamte selbst 
verfolgt werden, nicht auch sein Anstifter oder Ge- 
hilfe. Daß der Beamte im Ausland angestellt sei, 
wird nicht erfordert. — Das Verhältnis des 
Strafgesetzbuchs zu den Gesetzgebungen der 
Einzelstaaten geht dahin, daß diejenigen 
Amtsvergehen der Staatsbeamten, welche diese 
nicht zugleich bei Ausführung der Reichsgesetze 
begehen können, sowie die Disziplinarvergehen 
der Landesbeamten der partikulären Gesetzgebung 
überlassen sind. Doch dürfen diese nur solche 
Strafarten androhen und verhängen, welche in 
dem Reichsstrafgesetzbuch zugelassen sind. Eine 
Anzahl von Vergehensfällen hat bereits das bay- 
rische Einführungsgesetz zum Reichsstrafgesetzbuch 
(Art. 151 ff) den Straffällen des Reichsstrafgesetz- 
buchs hinzugefügt, insbesondere Verletzung der 
Amtsverbrechen und Amtsvergehen. 
  
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Amtsverschwiegenheit, Vernachlässigung des Amts 
und unsittlichen Lebenswandel der Beamten für 
gerichtlich verfolgbar erklärt. Daß das Deutsche 
Reich selbst im Weg der Gesetzgebung das Straf- 
gesetzbuch abändern kann, sei es durch Vermehrung 
der Straffälle der Beamten, sei es durch Auf- 
hebung oder Abänderung der bestehenden Straf- 
bestimmungen, ist selbstverständlich. 
Die Pflicht der Beamten besteht nach den deut- 
schen Staats-- und Disziplinargesetzen sowie nach 
dem Reichsbeamtengesetz vom 31. März 1873 
(§ 10) vor allem darin, das ihnen übertragene 
Amt, der Verfassung des Reichs und des Einzel- 
staats und deren Gesetzen entsprechend, gewissen- 
haft wahrzunehmen und durch ihr Verhalten in 
und außer dem Amt der Achtung, die ihr Beruf 
erfordert, sich würdig zu zeigen. Als besondere 
Verletzungen dieser Pflicht werden hervorgehoben: 
Der Bruch der Amtsverschwiegen- 
heit. Der Beamte hat über die vermöge seines 
Amts ihm bekannt gewordenen Angelegenheiten, 
deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich 
oder von seinem Vorgesetzten vorgeschrieben ist, 
Verschwiegenheit zu beobachten, auch nachdem das 
Dienstverhältnis aufgelöst ist. Deshalb hat ein 
Reichsbeamter, bevor er als Sachverständiger ein 
außergerichtliches Gutachten abgibt, dazu die 
Genehmigung seiner vorgesetzten Behörde einzu- 
holen, und es kann die gerichtliche Vernehmung 
eines öffentlichen Beamten als Sachverständigen 
nicht stattfinden, wenn dessen vorgesetzte Behörde 
erklärt, daß die Vernehmung den dienstlichen Inter- 
essen Nachteil bereiten würde. Als Zeugen dürfen 
öffentliche Beamte über solche Tatsachen, auf welche 
die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit sich 
bezieht, nur mit Genehmigung ihrer vorgesetzten 
oder der ihnen zuletzt vorgesetzt gewesenen Dienst- 
behörde vernommen werden. Diese Genehmigung 
darf jedoch nur versagt werden, wenn die Ab- 
legung des Zeugnisses dem Wohl des Reichs oder 
eines Bundesstaats Nachteil bereiten würde. Der 
Bruch der Amtsverschwiegenheit ist disziplinarisch, 
bei den Beamten im Dienst des Auswärtigen 
Amts des Deutschen Reichs jedoch kriminell zu 
bestrafen, wenn von diesen die Amtsverschwiegen- 
heit dadurch verletzt wird, daß sie ihnen amtlich 
anvertraute oder zugängliche Schriftstücke oder 
eine ihnen von ihren Vorgesetzten erteilte An- 
weisung oder deren Inhalt widerrechtlich mit- 
teilen (8§ 353 a des deutschen St. G. B., sog. Ar- 
nimparagraph). Die Strafe beträgt, sofern nicht 
nach andern Bestimmungen des Strafgesetzbuchs 
eine schwerere Strafe verwirkt ist, Gefängnis oder 
Geldstrafe bis zu 5000 M. Gleiche Strafe trifft 
einen mit einer auswärtigen Mission betrauten 
oder bei einer solchen beschäftigten Beamten, 
welcher den ihm durch seinen Vorgesetzten amtlich 
erteilten Anweisungen vorsätzlich zuwiderhandelt, 
oder welcher in der Absicht, seinen Vorgesetzten in 
dessen amtlichen Handlungen irrezuleiten, dem- 
selben erdichtete oder entstellte Tatsachen berichtet.
	        
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