Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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statten oder ihm dabei wissentlich Hilfe leisten; 
b) Telegraphenbeamte und andere mit der Beauf- 
sichtigung oder Bedienung einer zu öffentlichen 
Zwecken dienenden Telegraphenanstalt betraute 
Personen, welche die einer Telegraphenanstalt an- 
vertrauten Depeschen verfälschen oder in andern 
als den im Gesetz vorgesehenen Fällen eröffnen 
oder unterdrücken oder von ihrem Inhalt Dritte 
rechtswidrig benachrichtigen oder einem andern 
wissentlich eine solche Handlung gestatten oder ihm 
dabei wissentlich Hilfe leisten. Strafbar ist in 
beiden Fällen nur der Vorsatz, welcher in dem 
Willen, zu eröffnen usw., besteht; Kenntnisnahme 
des Inhalts ist nicht erfordert. Neben der Gefäng- 
nisstrafe kann auf Verlust der Fähigkeit zur Be- 
kleidung öffentlicher Amter auf Zeit erkannt werden. 
Die zur Beaufsichtigung und Bedienung der Tele- 
graphenanstalten und ihrer Zubehörungen ange- 
stellten Personen werden nach § 318 des St. G. B. 
mit Gefängnis von einem Monat bis zu drei Jahren 
bzw. mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit 
Geldstrafe bis zu 900 M bestraft, wenn sie vor- 
sätzlich bzw. fahrlässig oder durch Vernachlässigung 
der ihnen obliegenden Pflichten die Benutzung einer 
zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphen- 
anstalt verhindern oder stören. Die zur Leitung der 
Eisenbahnfahrten und zur Aufsicht über die Bahn 
und den Beförderungsbetrieb angestellten Personen 
werden nach 8 316 des St. G. B. mit Gefängnis 
von einem Monat bis zu drei Jahren bestraft, wenn 
sie durch Vernachlässigung der ihnen obliegenden 
Pflichten einen Transport in Gefahr setzen. Gegen 
den säumigen Eisenbahn-und Telegraphenangestell- 
ten kann gemäß § 319 des St. G.B. zugleich auf 
Unfähigkeit zu einer Beschäftigung im Eisenbahn-- 
und Telegraphendienst oder in bestimmten Zweigen 
dieser Dienste erkannt werden. „Angestellte Person“ 
istjeder, welcher durch einen dazu Berufenen dauernd 
oder vorübergehend mit der Wahrnehmung einer 
Funktion bei einer öffentlichen Zwecken dienenden 
Telegraphenanstalt oder bei einer Staats= oder 
Privatbahn betraut worden ist. Bestraft wird bei 
ihnen die Pflichtvernachlässigung; liegt Vorsatz 
oder Fahrlässigkeit in Bezug auf den eingetretenen 
Erfolg vor, so finden auch auf sie die Strafbe- 
stimmungen des gemeinen Verbrechens Anwendung. 
Nach § 320 des St.G.B. sind die Vorsteher einer 
Eisenbahngesellschaft sowie die Vorsteher einer zu 
öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphenanstalt 
mit Geldstrafe bis zu 300 M oder mit Gefängnis 
bis zu drei Monaten zu bestrafen, wenn sie nicht 
sofort nach Mitteilung des rechtskräftigen Erkennt- 
nisses gegen die angestellten Personen die Ent- 
fernung des Verurteilten bewirken. Gleiche Strafe 
trifft denjenigen, welcher für unfähig zum Eisen- 
bahn= oder Telegraphendienst erklärt worden ist, 
wenn er sich nachher bei einer Eisenbahn oder 
Telegraphenanstalt wieder anstellen läßt, sowie 
diejenigen, welche ihn wieder angestellt haben, ob- 
gleich ihnen die erfolgte Unfähigkeitserklärung be- 
kannt war. 
Amtsverbrechen und Amtsvergehen. 
  
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Die Beziehung des Beamten zum Staat hat 
dahin geführt, daß der Verlust des Amtes nicht als 
selbständige Strafe, sondern als eine sich von selbst 
ergebende Folge der erkannten Strafe auftritt. Es 
kann nicht nur bei den Amtsvergehen, sondern auch 
gegen solche Beamte, welche an unerlaubten Ver- 
dindungen teilnehmen, sei es, daß diese vor der 
Staatsregierung geheim gehalten oder daß gegen 
unbekannte Obere Gehorsam oder gegen bekannte 
Obere unbedingter Gehorsam versprochen wird, 
sei es, daß zu deren Zwecken oder Beschäftigungen 
gehört, Maßregeln der Verwaltung oder die Voll- 
ziehung von Gesetzen durch ungesetzliche Mittel zu 
verhindern oder zu entkräften, neben der Gefängnis- 
strafe auf Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung 
öffentlicher Amter auf die Dauer von einem bis 
zu fünf Jahren erkannt werden (St. G.B. 88 128 
129). — Wegen gemischten Amtsvergehens werden 
mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren nach § 174 des 
St.G.B. bestraft: a) Geistliche, Lehrer und Er- 
zieher, welche mit ihren minderjährigen Schülern 
oder Zöglingen unzüchtige Handlungen vornehmen 
oder den von ihnen zu unterrichtenden oder zu er- 
ziehenden Personen Gelegenheit zur Unzucht ge- 
währen oder verschaffen (St. G. B. 8§ 181, Nr 2); 
b) Beamte, die mit Personen, gegen welche sie eine 
Untersuchung zu führen haben oder welche ihrer 
Obhut anvertraut sind, unzüchtige Handlungen 
vornehmen; c) Beamte, Arzte oder andere Medi- 
zinalpersonen, welche in Gefängnissen oderin öffent- 
lichen, zur Pflege von Kranken, Armen oder andern 
Hilflosen bestimmten Anstalten beschäftigt oder an- 
gestellt find, wenn sie mit den in das Gefängnis 
oder in die Anstalt ausgenommenen Personen un- 
züchtige Handlungen vornehmen. — Es sei noch 
erwähnt, daß bei dem gemeinen Vergehen der Ur- 
kundenfälschung die Begehung durch Arzte oder 
andere approbierte Medizinalpersonen einen Straf- 
schärfungsgrund bildet. Diese Personen werden 
nach § 278 des St.G. B. mit Gefängnis von 
einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft, wenn 
sie ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheits- 
zustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer 
Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft wider 
besseres Wissen ausstellen. Neben der Gefängnis- 
strafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehren- 
rechte erkannt werden. Auch bei fahrlässiger Tötung 
und Körperverletzung sind Kunstfehler der genannten 
Personen Strafschärfungsgründe. Beamte sind 
jedoch die Arzte und Medizinalpersonen nicht. 
Literatur. Buddeus, Art. „Amtsverbrechen 2c."“ 
in Weiskes Rechtslexikon 1 (1844); Schwenken, 
Amtsvergehen (1848); Heffter, im Archiv des 
Kriminalrechts XIII; Dollmann, Art. „Amtsver- 
brechen“ in Bluntschlis Staatswörterbuch 1 (1857); 
Zucker, Amtsverbrechen (1870); Meves, im Hand- 
buch des deutschen Strafrechts III (1874) 915, IV. 
(1877) 338; Binding, Lehrb. d. gemeinen deutschen 
Strafrechts I1 (21904); v. Liszt, Lehrb. des deut- 
schen Strafrechts (11905); H. Meyer, Strafrecht 
61907); Berner, Lehrb. des deutschen Strafrechts 
(11898); Seuffert, in Stengels Wörterbuch des 
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