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Rechte Dritter berührt werden. Letzteres war der
Fall bei der ehemaligen Kaiserwürde des heiligen
römischen Reichs deutscher Nation, wo der päpst-
liche Stuhl zur Sorge berechtigt war, daß kein zur
Verteidigung der Rechte der Kirche Ungeeigneter
jener Würde teilhaftig werde. Daß sich daraus
auch gegen die beliebige Abdankung Konsequenzen
ergaben, zeigte sich, als 1557 unter Papst Paul IV.
die Kardinäle entschieden, daß die ohne Einver-
ständnis mit dem Papst erfolgte Abdankung
Karls V. ungültig sei. Einschlägig in die Frage
der Abdankung ist der Verzicht des Papstes
Cölestin V. des Heiligen und seine in diesem
Sinn vorher (13. Dez. 1294) erflossene, die Re-
signation eines Papstes ermöglichende Dekretale.
Zur Gültigkeit der Thronentsagung wird voraus-
gesetzt, daß der Verzichtleistende dispositionsfähig
und daß die Entsagung aus freier und ernstlicher
Willensäußerung hervorgegangen sei. Einer Ein-
willigung der Agnaten oder der Landesvertretung
bedarf es nicht, es genügt der einseitige Entschluß
des Monarchen. Ein Zwang zur Abdankung ist
gegenwärtig staatsrechtlich nicht denkbar (kam aber
z. B. im ehemaligen römisch-deurschen Kaisertum
vor); der regierungsunfähig gewordene Monarch
bleibt Monarch, unter Umständen tritt Regent-
schaft u. dgl. ein.
2. Ausdrückliche Abdankung, Neben-
bestimmungen. UÜber die Nebenumstände des
Thronverzichts haben sich die Ansichten geändert.
Die ältere, privatrechtliche Auffassung behandelte
die Thronfolge als etwas der Sukzession in Lehns-
und Fideikommißgütern Ahnliches. Moser erklärt
vom jus resignandi: „Ferner legen einige die
Regierung aller ihrer Länder nieder, andere hin-
gegen überlassen zwar die Regierung eines oder
des größten Teils ihrer Länder einem andern,
doch behalten sie sich noch etwas vor; wiederum
bedingen sich einige etwa noch einen oder den
andern Regierungsaktum aus, andere aber wollen
gar nichts mehr mit Regierungssachen zu tun
haben. Endlich behalten sich einige den Regreß
vor, im Fall sie die Reue ankäme, andere aber
renunzieren unwiderruflich auf die Regierung.“
Heutzutage ist die Thronfolge aus dem Bereich
der Hausgesetzgebung in den des Verfassungs-
rechts übergegangen. Der Grund der Thronfolge
ist das Gesetz, die Veranlassung derselben der Tod
des bisherigen Monarchen oder die Abdankung
desselben. Der Monarch, der abdanken will, kann
es nur unter voller Anerkennung aller derjenigen
Konsequenzen, welche sich — wenige Ausnahmen
abgerechnet — für den Staat gesetzlich aus seinem
Tod ergeben haben würden. Die Thronfolge wird
ganz in gleicher Weise wie durch das Ableben des
Souveräns eröffnet. Es tritt die sog. antizipierte
Thronfolge ein; die Wirkung des Thronverzichts
ist die, daß nun der nach der Thronfolgeordnung
zunächst Berufene eintritt. Der Verzicht soll nicht
als eine Zession oder Ubertragung des monarchi-
schen Rechts, sondern lediglich als ein Austritt
aus der Reihe der Thronberechtigten aufgefaßt
werden. Was die zum Thronverzicht hinzugefügten
Nebenbestimmungen (Bedingung, Zeit, Vorbehalt)
betrifft, so hängt, wie vorhin erwähnt, das Maß
ihrer Zulässigkeit von der Verfassung des Staates
ab: die Abdankung kann bedingt sein (résigna-
tion) zugunsten eines bestimmt Benannten, wenn
die Verfassung es erlaubt, sie kann aber nur un-
bedingt sein (abdication pure et simple), wenn
der Staat eine konstitutionelle Monarchie ist, denn
da hat über die Berufung zum Thron nicht der
zeitweilige Monarch, sondern lediglich die Thron-
folgeordnung zu entscheiden. Ein Verzicht zu-
gunsten eines Entfernteren wäre nur dann von
Wirksamkeit, wenn auch die dazwischenstehenden
Personen ihrerseits verzichteten. So gelangte der
zweitnächste Thronerbe sofort zur Regierung, als
beim Tod Kaiser Alexanders I. von Rußland
1825 der Großfürst Konstantin die Krone ab-
lehnte. Dasselbe taten der Herzog von Angouleme
1830 und Erzherzog Franz Karl von Osterreich
im Jahr 1848. Die Übertragung der Krone an
einen Fremden ist sowohl dem Prinzip der
Wahl= als dem der Erbmonarchie zuwider. Selbst
die Zustimmung sämtlicher Agnaten bzw. jener
Familienglieder, welche bereits erworbene Rechte
auf die Thronfolge haben, würde nicht genügen.
Es müßte, um das Verhältnis zwischen Dynastie
und Volk zu lösen, die Zustimmung der Vertreter
desselben hinzukommen. Ein Beispiel der Über-
gehung verwandtschaftlicher Rechte bietet die Ab-
dankung König Karls IV. von Spanien (19. März
1808). Sie konnte wohl zugunsten des ver-
fassungsmäßigen Thronerben geschehen, nicht aber
einem fremden Herrscher die Befugnis geben, einen
neuen Regentenstamm einzuführen. Eine zweite
Art Nebenbestimmung wäre die Abdankung auf
Zeit. Es ist bestritten, ob das Recht des Ab-
dankenden wieder aufleben kann, wenn derjenige,
zu dessen Gunsten abgedankt wurde, stirbt oder
die zugefallene Krone ablehnt. Einige, z. B.
Gerber, sind der Ansicht, der Vorbehalt eines
Rückfalls an den Entsagenden müsse überhaupt
als unzulässig betrachtet werden. Die Thronfolge-
ordnung sei absolut, gestatte keine „willkürliche
Modifikation“. Andere meinen, daß ein ausdrück-
licher Vorbehalt des Wiederantritts der Regierung
für einen späteren Erledigungsfall nicht als un-
statthaft angesehen werden könne. Der regelmäßige
Fall einer solchen Abdankung auf Zeit ist der,
daß sie lediglich zugunsten des bestimmten Nach-
folgers wirke, so daß nach dem Ableben des
letzteren der abdankende Fürst neuerdings zur
Thronfolge berufen wird. So ergriff Philipp V.
von Spanien die Regierung wieder, als sein Sohn
Ludwig ein halbes Jahr nach seiner Thronbestei-
gung am 1. Aug. 1724 starb. — Ebensowenig
wie auf Zeit kann eine Entsagung gültig unter
Bedingungen, richtiger Auflagen (modus)
geschehen, welche den Inhalt des Monarchenrechts
für den Nachfolger beschränken würden. Der Ver-
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